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BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
Der Hafen von Molyvos wartet auf Sie
1.Mai 2010 - Kalo Mina
Nun, ich sehe an den unzähligen Klicks auf unsere Seite, dass Sie, liebe
Lesergemeinde, wie ich, ungeduldig auf die neue Ausgabe der
„Lesvos-News“ warten. Tja, wir müssen uns noch ein wenig gedulden, denn
unsere Kolumnistin Julie ist seit einiger Zeit in Holland, und wird erst
in der nächsten Woche wieder auf der Insel eintrudeln und sie mit
wöchentlich neuen Geschichten erfreuen.
Als
kleines Trostpflaster und damit Sie nicht wieder vergeblich unsere Seite
besuchen, schreib ich Ihnen nun ein paar Zeilen:
Heute ist der 1. Mai, wie in Deutschland ein gesetzlicher Feiertag. Es
ist auch hier der „Tag der Arbeit“, an dem die Gewerkschaften zu
Kundgebungen und Demonstrationen aufrufen, aber darauf möchte ich heut
bewusst nicht eingehen, denn die Medien sind voll davon in letzter Zeit.
Ich möchte lieber vom 1. Mai als „Tag der Blumen“ schreiben. Der Name
rührt nicht nur daher, dass die Natur im Mai in ihrer blühenden
Farbenpracht den Höhepunkt erreicht hat, heute ist der Tag, an dem die
Griechen raus in die Natur fahren, wo sie Blumen pflücken, aus denen sie
Kränze flechten, die sie an ihre Eingangstür hängen oder kleine
Sträußchen binden, mit denen sie ihr Auto verzieren oder jemanden
erfreuen.
Es
ist mal wieder so ein Feiertag, den die Griechen gemeinsam mit ihrer –
wenn möglich – ganzen Familie verbringen: Entweder trifft man sich zum
traditionellen Picknick oder stürmt die Tavernen nach dem vorgenannten
Spaziergang durch die Natur, danach flaniert man durch die Straßen und
Gassen.
Das
Wetter heute krönt diese Unternehmungen: Die Sonne lacht vom
strahlendblauen Firmament, das Thermometer pendelt sich bei 24 Grad ein,
und wäre da nicht die kühle Brise, sähe man bestimmt nicht nur die
Touristen kurzärmelig und mit knappen Shorts durch die proppevollen
Gassen von Molyvos laufen. Dazu muss ich Ihnen erzählen, dass, als wir
noch Mai-Urlauber auf der Insel waren, wir uns immer wunderten, wie dick
die Einheimischen bei diesen Temperaturen noch angezogen waren. Unsere
Erklärung war damals, dass ihnen ja noch der heiße Sommer bevorstünde
und sie bis dahin noch Gelegenheit haben müssten, sich von einigen
Kleidungsstücken zu trennen. Das war es wohl nicht, denn jetzt ist es
so, dass auch ich heute aufgrund meiner dicken Strickjacke und dem
festen Schuhwerk die verwunderten Blicke der sommerlich bekleideten
Touristen erntete, und ich versichere Ihnen, ich habe nicht geschwitzt,
und heute kann ich nicht verstehen, wie man bei den jetzigen
Temperaturen schon im Bikini am Pool liegen kann... Woran das jetzt
liegt? Ich weiß es nicht... Vielleicht kann mir das jemand von Ihnen
erklären, ich wäre ausgesprochen dankbar dafür.
Aber zurück zum heutigen Tag: Es ist ein fantastischer Saisonauftakt,
wie er besser nicht sein könnte. Die Touristen und Tagesausflügler
füllen Tavernen und Geschäfte (9 vollbesetzte Busse erreichten gestern
Molyvos, heute ist kein Parkplatz auf dem Schulhof und im Dorf mehr zu
bekommen – Bauvorhaben „neuer Parkplatz“ ist noch nicht abgeschlossen)
und endlich, nach einem wirklich sorgenvollen Winter mit mageren
Umsätzen, klingeln die Kassen wieder und erwacht das touristische Leben.
Den Menschen auf der Insel sei es gegönnt, denn die Preise für Benzin
und Lebensmittel klettern ins Unermessliche.
Für
ein Preisbeispiel, möchte ich nochmals vom Thema abschweifen: Wie
gesagt, die Saison hat angefangen, was für meine Freunde bedeutet, von
morgens 10 bis spät abends zu arbeiten. Nicht der Verzicht auf Freizeit
ist für sie schlimm, sondern, dass die Kinder wohl oder übel
vernachlässigt werden müssen. Husch, husch, Frühstück machen, sie in die
Schule bringen, dann zur Arbeit, dann Kinder abholen, schnell irgendwas
kochen, und wieder ab zur Arbeit, wenn möglich die Kinder im Schlepptau,
denn wo sollen sie denn hin? Die Zeiten, dass man sich Putzfrau,
Aushilfe, Babysitter leisten konnte, sind vorbei.. Aber egal, davon
wollte ich nicht schreiben, sondern von den Preisen. Nur allzu gerne,
habe ich gestern die 2 Kinder meiner Freundin zu mir geholt und für sie
gekocht... Auf meine Frage, was sie sich zum Essen wünschen, bekam ich
eine Antwort, die mir bestimmt auch viele Kinder in Deutschland gegeben
hätten: FISCHSTÄBCHEN! Erwachsene werden jetzt angesichts des
reichlichen Angebots an frischem Fisch an dieser Stelle bestimmt den
Kopf schütteln... naja, Kinder eben! Unfroh war ich nicht, denn hätten
sie sich frischen Fisch gewünscht, wäre ich an meine Grenzen gestoßen,
da mein Ofen niemals tote Tiere mit Kopf oder Beinen sehen wird. Aber
das ist wieder ein anderes Thema. Unter meinen Aufsätzen stand schon
früher immer der Vermerk „sprachlich gut, aber Thema verfehlt“, so dass
ich jetzt wieder schnell wenigstens auf die Preise, wenn schon nicht auf
den 1. Mai zurückkommen will: Ich fuhr also zum Mini-Market, fand auch
zu meinem Erstaunen und meiner Freude die von Stiftung Warentest mit
„sehr gut“ ausgezeichneten „Käpt´n Iglo-Fischstäbchen in der
10er-Packung und strebte mit 2 Stück davon die Kasse an, wo mich dann,
da ich meine Brille nicht dabei hatte und der Preis mir bis dahin
verborgen blieb, fast der Schlag traf: 9,80 Euro!!! Wie bitte? In
Deutschland kosten 15 Stück 2,99 Euro... Na, was sagen Sie nun? Erwähnen
muss ich aber noch, dass angesichts der strahlenden Kinderaugen und dem
wirklich gesegneten Appetit das Produkt jeden Cent wert war.
So,
jetzt aber wieder zum 1. Mai 2010 zurück: Wie alle Jahre wieder, ist ein
jeder bereit auf die Sommersaison. In letzter Minute wurden Tavernen,
Shops und Hotels vom Staub befreit, mit neuem leuchtenden Anstrich
versehen und liebevoll dekoriert. Molyvos und Umgebung erstrahlt und
ruft den Besuchern, die da hoffentlich in Scharen kommen werden ein
HERZLICH WILLKOMMEN entgegen. Wünschen wir „unserer“ Insel eine gute
Saison (kalo kalokairi = einen guten Sommer), damit der nächste Winter
nicht so sorgenvoll und existenzbedrohlich wird wie der letzte und
vielen Kindern der Genuss von Fischstäbchen nach einem Blick ins
Portemonnaie nicht verwehrt bleibt.
Aber erst einmal „Kalo Mina“.. einen guten Monat.
Gabriele Podzierski
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