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BOULEVARD NEWS AUS LESVOS

 

Bild: In der Höhlenkirche “Panagia Krifti” in Melinda

In der Höhlenkirche “Panagia Krifti” in Melinda

 

16.August 2010 - Sternschnuppen und verborgene Marien

Aus dem Holländischen/Englischen von Gabriele Podzierski 

 

Wenn Sie sich ein wenig mit dem Thema Astronomie auseinandergesetzt haben, so werden Sie auch einen kleinen Einblick in die griechische Mythologie gewonnen haben, da die Götter des Olymps seinerzeit ziemlich großzügig Plätze am Firmament austeilten: Götter, Menschen, Tiere, etc., wie z.B. Andromeda, Kassiopeia, Orion, Orpheus, Perseus, Prometheus, Sirius und sein Hund, das Pferd Pegasus, Argo (das 50-rudrige Schiff der Argonauten), Chrysomallos (das Schaf mit dem goldenen Vlies, nachdem Jason und die Argonauten suchten), Delphine, Stiere, Fische und Adler...: Alle miteinander sind nach ihrem Tod immer noch im Sternenreich zu finden und gut für eine interessante Geschichte.

 

Seit Jahrhunderten nennt man den August den „Monat der Sternschnuppen“. Der Höhepunkt findet statt, wenn die Erde in der ersten Augusthälfte die Perseiden (ein Meteorstrom) kreuzt. Etwa 100 Sternschnuppen sollen ab dem 10. August nachts pro Stunde am Himmel zu sehen sein. Die Perseiden verdanken ihrem Namen der Tatsache, dass es so wirkt, als würden sie aus dem Sternbild des Perseus strömen. Was man da aber wirklich sieht, sind keine Sterne die fallen, sondern Bruchstücke eines Kometen, die in der Erdatmosphäre verglühen, was aber auch gut so ist, denn stellen Sie sich mal vor, Sie beobachten gerad verträumt Ihr Lieblings-Sternenbild am Himmel, nehmen wir mal den „Großen Hund“, und plötzlich fällt der hellste Stern dieser Konstellation, der „Sirius“ einfach runter... Wie schrecklich wäre das denn? So kann man doch froh sein, dass es sich bei den Sternschnuppen ja eigentlich nur um Weltraumschrott handelt.

 

Dessen ungeachtet, sind viele Menschen – ich schließe mich da mit ein – der Überzeugung, einen Wunsch frei zu haben, wenn Sie „einen Stern fallen sehen“. Tja, für uns ist dann die Erdbegegnung mit den Perseiden nahezu ein Jackpot, denn ich kann Ihnen berichten, dass ich in der Nacht vom 12. auf den 13. August mindestens 30 glühende Pfeile längst des Himmels schießen sah, und glauben Sie mir, ich hatte eine Menge Wünsche.

 

Eigentlich könnte man den August auch den Glücksmonat nennen, denn es ist ja nicht nur das alljährlich wiederkehrende größte Sternschnuppenspektakel, das auffordert, seine Wünsche zu formulieren, sondern in diesem Monat kann man auch seine innigsten Bitten an die heilige Muttergottes richten, deren Himmelfahrt am 15. August gefeiert wird. Tja, und wie bei den „Sternschnuppen“, die ja eigentlich keine sind, hakt es auch hier mit der Namensgebung: Theologen sagen, dass Maria gar nicht selbst in den Himmel aufgestiegen ist, sondern, dass Gott sie bei sich aufgenommen hat. Darum spricht man in der orthodoxen Kirche, welche ja die leibliche Aufnahme Mariens nicht dogmatisiert hat, auch nur von der „Entschlafung Marias“.

 

Nun, so haben Menschen schon alle Zeit ins nächtliche Firmament gestarrt und sich an Sternschnuppen erfreut, aber Maria hat niemand in den Himmel aufsteigen sehen... Ungeachtet dessen wird sie auf der ganzen Welt verehrt mit Messfeiern und Wallfahrten zu den Gotteshäusern, die ihr geweiht sind, und in Griechenland sind das unzählige. Auf Tinos steht die bekannteste Marienkirche des Landes, die „Panagia Evangelistria“. Auf dem 2. Rang des Bekanntheitsgrades folgt die in Agiássos, auf Lesvos, errichtete Kirche „Panagia i Vrefokratousa“ (Gottesmutter, die das heilige Kind trägt).

 

Der August ist auch der Monat, der den griechischen Inseln den „Meltemi“ schenkt, einen kühlenden trockenen Nordostwind, aber statt dieser Erquickung, hatten wir es in den vergangenen Nächten mit einem heißen Sturm zu tun, der eine Temperatur von 34 Grad mitsich brachte. Verzweifelt warten wir auf den „Meltemi“, denn es hat den Anschein, dass die derzeitige feuchte Hitzewelle schon eine halbe Ewigkeit anhält.

 

Die schier unerträgliche Wärme hielt jedoch auch in diesem Jahr zahlreiche Pilger nicht ab, die 114 Stufen des Wahrzeichens von Pétra, dem Kirchenfelsen mit der Marienkirche „Panagia Glykofiloúsa“ (Kirche der süß küssenden Gottesmutter) zu erklimmen oder unter der sengenden Sonne den Berg nach Agiassos hoch zu kraxeln, um der Gottesmutter inmitten einer Masse von feuchtklebrigen Gleichgesinnten die Ehre zu erweisen.

 

Dabei gibt es auch kühlere und weniger belebte Orte, um Maria zu huldigen, so wie z.B. das direkt am Meer gelegene kleine Kirchlein, nah bei Plomari: „Panagia Krifti“, die „Kapelle der versteckten Maria“ genannt. Der Überlieferung nach, wurde zu Beginn des 19. Jahrhunderts, eine junge schöne Frau mit ihrem Kind von einer Gruppe Türken zu Pferde verfolgt. Ihre Flucht führte sie in eine Sackgasse, an den Fuß eines Berges. Verzweifelt betete sie zu Gott, der ihr eine Höhle offenbarte, in der sie sich verstecken konnte. Wie durch ein Wunder blieb sie den Türken so verborgen. Später weihte sie die Grotte der Gottesmutter Maria, und so kam die Kapelle zu ihrem Namen. Erreichen können Sie das „Kirchlein der versteckten Maria“, in dessen Nähe es auch eine heiße Quelle gibt, entweder per Boot oder über einen steilen Fußweg, der, von Plomari aus, vorbei an Melinda, ein Stückchen längst der Küste führt. Die Flüchtlinge aus Kleinasien, die hier 1922 an Land kamen, haben Maria zu ihrer Schutzpatronin ernannt, denn während des Zweiten Weltkriegs diente diese Höhlenkirche auch als Versteck vor den deutschen Besatzungsmächten.

 

Die „Panagia Krifti“ bei Plomari ist ziemlich bekannt und wird vor allem im Sommer besucht, zum einen wegen der Gottesmutter, aber auch, weil der Platz dort, mit seinem heißen Brunnen, recht beschaulich ist. Aber es gibt noch eine „Panagia Krifti“ auf der Insel, die nicht so einen Bekanntheitsgrad hat und gar nicht so leicht zu finden ist. Dies kleine Kapellchen liegt verborgen in den Bergen zwischen Parakila und Vatoússa. Versteckt in den Felsen ist es zu erreichen über einen Pfad, weitab von den Straßen, der durch die Wälder zum Propheten Elias führt. Es gehörte zu dem großen Limonas-Kloster bei Kalloni, und, weiß Gott, wie viel Menschen sich einst dort verborgen hielten.

 

Aber ist der Weg zum Kirchlein bei Melinda noch so steil und die „Panagia Krifti“ bei Parakila noch so gut verborgen, am 15. August wissen doch viele Menschen die versteckten Marien zu finden.

 

Und so ist in diesem Jahr schon ein Wunder geschehen: Die Regierung der Türkei hat in diesem Jahr ihre Zustimmung dafür erteilt, dass orthodoxe Christen, erstmals nach mehr als 80 Jahren, im Sumela-Kloster, gelegen in der türkischen Pontus-Region, eine Messe abhalten durften. Der türkische Kulturminister gab der Bitte des in Istanbul residierenden Patriarchen statt, dort die Aufnahme Marias im Himmel zu feiern. Die „Panagia Soumela“ (Kloster der Allheiligen beim schwarzen Berg“) ist vor 1600 Jahren in einen 1100 Meter hohen Hang gebaut worden, nachdem dort in einer Höhle eine Ikone der Maria gefunden wurde. 1923, als der große Bevölkerungsaustausch von Griechen und Türken stattfand, wurde dieses Kloster geschlossen. Die Ikone und andere sakrale Schätze brachte man in einem Kloster in Mazedonien unter, und das Sumela-Kloster wurde, dank seiner spektakulären Lage und Bauweise eine touristische Attraktion.

 

In diesem Jahr werden also Tausende von gläubigen Orthodoxen aus Georgien, Russland, der Türkei, Griechenland und Nordamerika dort hin kommen, um die 1. Messe seit 1923 zu besuchen. Der Wetterbericht für Trabzon, eine Stadt am Schwarzen Meer im Nordosten der Türkei, von der das Kloster nicht allzu weit entfernt ist, klingt wie Musik in meinen Ohren: Nicht nur, dass es kühler ist, als hier auf Lesvos, es gibt sogar etwas Regen, wovon wir seit Wochen träumen, und ich gehe ganz stark davon aus, dass man sich von diesem hochgelegenen Platz von einer Menge Sternschnuppen verzaubern lassen kann.