|
BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
Quitten
23.Oktober 2010 - Von welchem Obst nahm Eva einen Bissen?
Aus
dem Holländischen/Englischen von Gabriele Podzierski
Der
Baum der Erkenntnis von Gut und Böse, mit den verbotenen Früchten, stand
im Garten Eden, dort, wo nach dem 1. Buch Moses die ersten Menschen,
Adam und Eva, lebten. Tja, und, wie man weiß, wurden Sie aus diesem
Paradies vertrieben, weil Eva sich von der Schlange verführen ließ, und
von dem Obst naschte. Da die Bibel keine Auskunft darüber gibt,
debattieren Historiker noch immer darüber, was es denn wohl für eine
Frucht war: Apfel, Traube, Granatapfel, Feige oder vielleicht doch eine
Quitte?
Schon immer beschäftigen Früchte die historischen Gemüter. Wobei
handelte es sich bei den mythischen „Goldenen Äpfeln“, die in den
berühmten „Gärten der Hesperiden“ reiften? Herakles bekam einst die
Aufgabe gestellt, einen davon zu stehlen. Das Problem war, dass er zuvor
den Drachen, der sie bewachte, zur Strecke bringen musste. Dann noch die
Geschichte von dem goldenen Apfel, den Eris, die Göttin der Zwietracht,
mit der Aufschrift „Der Schönsten“ inmitten einer Hochzeitsgesellschaft
warf, nur weil sie nicht eingeladen war, und damit indirekt den
Trojanischen Krieg auslöste. Um weitere 3 goldene Äpfel ging’s bei dem
verliebten Hippomenes, einem Abkomme Poseidons, der sich in Atalante
verguckte. Diese ließ jeden, der um sie warb, ein Wettrennen gegen sie
bestreiten. Verlor derjenige, war er dem Tode geweiht. Aphrodite half
dem Jüngling, indem sie ihm diese 3 goldenen Früchte gab, die er dann
während des Kampfes nach und nach fallen ließ. Er verwirrte die bislang
ungeschlagene Atalante damit, denn sie hob die Äpfel auf, verlor dadurch
Zeit und Hippomenes ging als Sieger hervor.
Tja, was waren das für „Goldene Äpfel“, um denen sich all diese Sagen
ranken? Waren sie wirklich aus purem Gold oder einfach nur goldfarben,
wie Apfelsinen oder Quitten?
Auf
Lesvos sind die ersten heftigen Herbstregen niedergegangen. Ein Segen
für die Olivenbäume, von denen viele in diesem Jahr schwer an Früchten
tragen. Die Feigen sind inzwischen abgeerntet, hier und da hängen noch
ein paar vergessene verderzelte Trauben in den Weinstöcken, die ersten
Kastanien plumpsen auf den Boden, aber das was bei einer Fahrt über die
Insel derzeit am meisten fasziniert, sind die leuchten gelben Quitten
überall in den Zweigen. Die Landschaft von Lesvos ist übersät mit diesen
Obstbäumen, aber nur wenige Besitzer ernten diese Früchte.
Die
Quitte ist in West- und Nordeuropa (und auch im Norden Amerikas) zu
einer vergessenen Frucht geworden. Vermutet wird, dass sie ihren
Ursprung im Kaukasus hat. Jahrhunderte vor Christus war sie bekannt in
der Küche der Araber, der Griechen und später auch bei den Römern. In
dem ältesten erhaltenen römischen Kochbuch („De re coquinaria“), dass
Marcus Gavius Apicius, der im 1. Jahrhundert n. Chr. lebte, verfasste,
gibt es einige Quitten-Rezepte.
Einfach macht es einem die Quitte in der Küche nicht, vielleicht ein
Grund, weshalb sie in der heutigen Zeit des schnellen Konsums, nicht so
populär ist. Sollte Eva wirklich da hinein gebissen haben, hoffe ich,
dass sie starke Zähne hatte, denn es ist eine so steinharte Frucht, dass
man sie nicht einfach pflücken und herzhaft zubeißen kann ( man
vermutet, dass es früher eine weichere Sorte gab). Obendrein schmeckt
das Fruchtfleisch auch noch sauer und mehlig. Die Quitte offenbart ihre
von den alten Völkern so geschätzten Qualitäten erst, wenn sie gekocht
wird, erst dann kommt man in den Genuss des köstlich süßen Geschmacks,
der zwischen Apfel und Birne liegt, und erst dann bezaubert sie mit
einem magisch süßem Aroma, was verstehen lässt, dass sie nicht nur
Delikatesse, sondern auch Lufterfrischer war (und wieder ist).
In
der Antike war die Quitte unentbehrlich bei einer griechischen Hochzeit.
Die Frucht stand symbolisch für die Liebe, und wenn das Brautpaar
unterwegs war zu seiner Hochzeitsnacht, warf man ihnen Quitten in den
Wagen. So sollte die Braut vor der Nacht eine Quitte essen, ein Hinweis
auf die Freuden (süßer Duft) und die Leiden (herber Geschmack) in einer
Ehe. Tja, und einen Vorteil brachte es zusätzlich mit sich: Einen
wohlriechenden Atem! Ein alter Brauch war es auch, die Kerne der Quitte
zu zählen, um vorauszusehen, wie viel Kinder dem Paar geschenkt würden.
Na, aber das glaube ich nicht so wirklich, den die Quitte ist reich an
Kernen.
Auch bei den Römern galt die Quitte als Liebessymbol: Schenkte man
jemandem diese Frucht, so war das, als würde man einen Verlobungsring
überreichen.
Nun
hat die Quitte ihre Symbolik und magische Ausstrahlung verloren und
hängt vergessen und nicht beachtet in den Bäumen. Man wendet sich hier
auf der Insel lieber die Feigen, Trauben und Oliven zu.
Karl der Große war es, der den Nutzen der Quitte erkannte. Ihm wird
nachgesagt, dass er sie nach Frankreich und Deutschland brachte und
somit für die Verbreitung in Europa sorgte. Im Jahre 812 erschien die
Landgüterverordnung „Capitulare de villis vel curtis imperii“, in der er
seinen Landsleuten empfahl, neben 70 weiteren Sorten von Pflanzen, die
Quitte, nicht zuletzt wegen ihrer Heilwirkung, anzupflanzen. Noch heute
kann man in Frankreich den köstlichen „Liqueur de Coing“ (Quittenlikör)
genießen.
Auch in Portugal war die Quitte im Altertum sehr beliebt. Gut so, denn
so sind wir zur Marmelade gekommen. Eine Art Mus stellte man aus der
Frucht her, den portugiesischen Namen „marmelo“ übernahm man für alle
Arten solcher Fruchterzeugnisse. Ihren Namen selbst verdankt die Quitte
(Cydonia oblonga) einer Stadt im Nordwesten von Kreta: Kydonia, heute
Chania.
Auch am alten England ist die Quitte nicht vorbeigegangen, zumal man
herrliche Gelees und Konfitüren daraus bereiten kann. Doch heut sind
Quittenbäume, aufgrund des strengen Klimas, dort schwer zu finden.
Der
Quittenbaum liebt Wärme, ist aber trotzdem resistent gegen Kälte. Eine
ideale Frucht also für das mediterrane Klima, aber ein Quälgeist in der
Küche für die moderne Hausfrau, die das Einmachen verlernt hat.
Letzte Woche brachte mir eine Freundin eine große Kiste voll der
goldenen Äpfel. Ein wenig habe ich mich schon erschrocken, denn ich
wusste ja was auf mich zukommt. Um die Quitte haltbar zu machen, muss
sie geschält werden, was aufgrund der Härte der Frucht, nicht nur eine
lästige, sondern eine gefährliche Pflicht ist, denn wenn man nicht
aufpasst, schneidet man sich im schlimmsten Fall die Fingerkuppe ab.
Aber die Belohnung, wenn man es dann geschafft hat, die Früchte klein zu
kriegen, ist umso süßer: Marmeladen, Gelees und Liköre sind dann recht
einfach herzustellen und schmecken unglaublich lecker.
Hier ein unkompliziertes Rezept für ein persisches Quittengelee:
-Quitten schälen, in Stücke schneiden
-In
eine Pfanne geben und Wasser hinzufügen, bis die Früchte bedeckt sind
-Pro Quitte 2 Kardamomsamen zufügen
-Kochen bis die Früchte weich sind (ca. 1 – 1,5 Stunden)
-Masse in ein Tuch füllen und über Nacht über einer Schüssel austropfen
lassen
-Am
Morgen den Saft mit dem gleichen Gewicht Zucker aufkochen
-Den Saft einer halbe Zitrone/pro Quitte zufügen
-Lassen Sie den Zucker schmelzen und rühren so lange, bis es eindickt
-Gießen Sie die Masse und sterilisierte Gläser
-Dann abkühlen lassen
|