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BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
Der Hafen von Mytilini
13.Dezember 2010 -
Zuhausbleibwoche
Aus
dem Holländischen/Englischen von Gabriele Podzierski
Natürlich
kann es nicht immer Sommer sein. Nachdem das Thermometer in einer der
letzten Nächte noch 19 Grad anzeigte, fielen die Temperaturen den darauf
folgenden Tag bis um den Gefrierpunkt, und in der Nacht fror es dann,
tja, und dann ist es doch ganz plötzlich bitterkalt geworden...
Flugs
mussten die Wintersachen herausgesucht, Mützen und Handschuhe tief unten
aus der Kommodenschublade gekramt und das Feuer heftiger geschürt
werden: DER WINTER WAR DA! In den höheren Bergregionen von Lesvos lag
etwas Schnee, gefrorene Pfützen zierten auf einmal die Wege, und die
Vorhersagen kündigten nur noch schlechtes Wetter an. Heute haben sich
die Gradzahlen zwar etwas von Null entfernt, aber Menschen aus
Skalochóri berichten von einem treibenden Schneesturm, der selbst das
Autofahren unmöglich machte und das Lepétymnos-Massiv zart weiß färbte.
Die Prognosen haben sich nicht gebessert: Das Winterwetter bleibt uns
auch in der nächsten Woche erhalten.
Vorgestern
ließ der strenge Nordwind wieder hohe eiskalte Wellen auf den
Eftalou-Boulevard schlagen, und da dieser ja – wie oft berichtet – immer
noch nicht ausgebessert wurde, tut das der Straße nicht gut. Aber auf
Samos ging es noch schlimmer her: In der Hauptstadt der Insel wurde der
Notstand ausgerufen, da die tobenden Wellen sämtliche Uferwege unter
Wasser gesetzt haben. Inzwischen ist Militär abgestellt worden, um
Schlimmeres mit Sandsäcken zu verhindern.
Gestern
hatten wir hier in Eftalou zwar einen sehr kalten, aber doch sehr
schönen Tag, da die Sonne sich ab und an zeigte und das Meer sich etwas
beruhigt hatte. Ganz anders in der Hauptstadt: Aufgrund der rauen See
rammte die von Chios kommende griechische Fähre „Aegan Star“ beim
Einlaufen einen Kai im Hafen von Mytilini. Ein langer Riss im Boot, aus
dem Öl austrat, war die Folge. Küstenwache, Hafenbehörde und Mitgliedern
des Hellenischen Rettungsteams gelang es in stundenlanger Anstrengung
jedoch, mit ölabsorbierenden Stoffen den größten Teil des Öls wieder
aufzunehmen, nachdem sie das Leck abgedichtet hatten, so dass die Umwelt
keinen Schaden erlitt. Seufz.....
Auch Athen
litt unter dem extremen Temperatursturz und bekam sogar noch etwas
Schnee als Zugabe. Doch nicht nur der plötzliche Kälteeinbruch macht den
Bewohnern der Hauptstadt (und auch den meisten in anderen Landesteilen)
in den nächsten Tagen das Leben schwer, es wurde auch noch ein tägliches
Streik-Programm aufgestellt. Bruno Tersago, der seit einigen Jahren in
Athen lebt und in einem Online-Blog regelmäßig in skurriler Art und
Weise über die griechische Gesellschaft berichtet, hat jetzt diesen
Zeitplan veröffentlicht:
14. Dezember
Die Banken
streiken für 48 Stunden, was bedeutet, dass man 2 Tage kein Geld abheben
kann. Na, und das in dieser Krisenzeit. Hier auf der Insel kann man auch
ohne Bargeld einkaufen, denn die meisten Geschäfte werden – wie gewohnt
– anschreiben. Außerdem steht ein 3-Stunden-Streik der privaten
Gewerkschaften an. Was dieser zu bedeuten hat und welche Auswirkungen er
nach sich zieht, kann ich nicht sagen, nehme aber an, dass die
Mitglieder sich dann zwischen 12 und 15 Uhr ein gemütliches Mittagessen
genehmigen. Schwerfallen wird ihnen dieser Streik nicht, denn darin
haben sie ja Übung...
15. Dezember
Am heutigen
Tag streiken die privaten Gewerkschaften sogar einen ganzen Tag. Man
sollte meinen, dass man dann sicherlich spürt, wer denn zu dieser Gruppe
überhaupt zählt, aber leider ist es etwas komplizierter, denn auch die
Beamten des Öffentlichen Dienstes bleiben am 15. daheim. Na, so ein
freier Tag wäre doch ideal, um sich zum Shopping nach Athen aufzumachen.
Leider, leider, denn der Flugverkehr liegt ebenfalls wegen
Arbeitsniederlegung lahm. Die Alternative, spontan einer benachbarten
Insel, einen Besuch abzustatten, fällt ebenfalls weg, denn für 24
Stunden werden Fähren und Schiffe ihre Anker nicht lichten. Na, da packt
einen schon mal die Wut, und der ein oder andere könnte auf die Idee
kommen, den Staat oder eine Organisation zu verklagen: Pech gehabt, die
Anwälte streiken auch... Die andere Möglichkeit, an die Presse zu gehen,
um dem Ärger Luft zu machen, kann man auch vergessen, denn da wird
niemand sein, der ein Ohr für die Verzweiflung hat: Die Journalisten
streiken ebenfalls! Also, auch keine Zeitungen an diesem Tag und keine
neuen Nachrichten, aber die entgangenen Schlagzeilen kann sich eh jeder
denken, denn das Thema wird sein: „Athen liegt platt – Die Menschen
genießen einen Tag zu Hause!“
16. Dezember
Das gesamte
öffentliche Verkehrsnetz wird für diesen Tag eingestellt. Na, für unsere
Insel keine große Katastrophe, da wir ja praktisch keine öffentlichen
Verkehrsmittel haben.
17./18.
Dezember
Die
Journalisten werden erneut ihre Arbeit niederlegen, besser gesagt,
Menschen die bei den Zeitungen und Nachrichtenredaktionen arbeiten, denn
was so ein waschechter Journalist ist, der streikt doch nicht, er ist
doch viel zu interessiert daran, was um ihn herum passiert. Aber
vermissen werden wir die streikenden Journalisten nicht, denn a) bringen
sie eh nur schlechte Nachrichten und b) präsentieren Internet und
WikiLeaks derzeit viel spannendere News...
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