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BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
Das Häuschen von Adonis
1.November 2010 - In Memoriam Adonis
Aus
dem Holländischen/Englischen von Gabriele Podzierski
Über den Mann, der heute Thema meiner Boulevard-News ist, wird viel
erzählt in unserer Gegend, aber ich werde nur das wiedergeben, was ich
von ihm selbst weiß, alles übrige, wie die düsteren Familiengeschichten,
lasse ich ruhen...
Ein
jeder, der schon einmal die Straße von Eftalou entlang gelaufen ist,
kennt diesen von Krankheit gebeugten Mann, namens Adonis, mit seinen
Dutzenden Hunden und Katzen, oder zumindest seinen aus Holz und Treibgut
zusammengeschusterten Schuppen, nah am Hotel „Panselinos“, unterhalb,
auf dem schmalen Küstenstreifen, der das Meer von der Straße trennt. Nur
vom Meer aus ist zu erkennen, das hinter dieser Baracke noch ein
Steinhäuschen steht, in dem der Mann lebte.
Adonis wurde in Eftalou am Meer geboren und wuchs dort mit einer großen
Geschwisterschar auf, und mitten unter ihnen weilten auch damals schon
viele Hunde und Katzen, die in den Winternächten die Schlafstätten mit
ihnen teilten und ihnen die nötige Wärme spendeten.
Adonis war verheiratet und hatte Kinder, und, obwohl seine Frau ein Haus
in Molyvos hatte, zog er es vor, in seinem Häuschen am Strand von
Eftalou wohnen zu bleiben und weigerte sich strikt seine geliebten
Vierbeiner zu verlassen. Er war nahezu verrückt nach seinen Tieren, und
wann immer er glaubte, jemand könnte ihnen Schaden antun, tauchte er
urplötzlich laut schreiend aus dem Nichts auf, um das jeweilige Tier aus
den Klauen des vermeintlichen Missetäters zu retten, den er auch in
Gestalt eines vorbei spazierenden unschuldigen Tierfreundes vermutete,
der nur ein liebevolles Gespräch mit Hund oder Katz führen wollte. Und
wehe, wenn eine Katze fehlte, dann lief er fluchend durch die Anlagen
des Hotels, überzeugt davon, dass ein Tourist sie entführt habe. Seine
Tierliebe war grenzenlos, so aber auch die Anzahl der Hunde und Katzen,
die er um sich scharte. Treu brachte seine Frau ihm täglich sein Essen
und auch das Futter für die unzähligen Tiere.
Adonis stammte aus einer Fischerfamilie und liebte es, mit seinem Boot
aufs offene Meer zu fahren, um noch mehr Futter für seinen Zoo zu
fangen. Bei so einer Gelegenheit soll er auch die Möwe gefunden haben,
die jahrelang auf seinem ins Wasser führenden Steg wohnte und
sehnsüchtig auf ihn wartete, wenn er fischen war.
Auch die schweren Winterstürme brachten ihn nicht dazu, seinen Platz am
Meer aufzugeben. Das Bitteln und Betteln seiner Söhne prallten an ihm
ab: Er blieb bei seinen Tieren. Erst der Krebs, der in seinem Körper
ausbrach, führte ihn nach Molyvos. Zunächst ging er im Sommer des
letzten Jahres einen jeden Abend in das Haus zu seiner Frau und als der
Winter einbrach, sah man ihn gar nicht mehr inmitten seiner Tiere. Die
Familie übernahm zwar die Fütterung, aber ansonsten kümmerten sie sich
gar nicht um Adonis Lieblinge, so dass diese sich zum Schrecken des
Eftalou-Boulevards entwickelten und unter dem Namen „Höllenhunde von
Eftalou“ selbst im Internet bekannt wurden.
Nach und nach entwickelte sich eine Tragödie: Die Hunde verwilderten,
fraßen die Katzen auf, lagen meist mitten auf der Straße, und kam dann
ein Auto angerast, so konnte manch einer von ihnen nicht schnell genug
ausweichen, wurde angefahren, starb oder blieb verletzt liegen. Bei all
dieser Tragik kam noch hinzu, dass Gift gestreut wurde, Tiere elendig
verreckten und inzwischen nur noch 6 Hunde von der einst so großen Schar
überlebt haben.
Auch eine meiner Katzen hat die verwilderte Hundemeute getötet, als ihr
Jagdrevier sich immer weiter ausbreitete, vergeben habe ich ihnen das
nie, aber trotzdem blutet mein Herz, wenn ich diese auf sich selbst
gestellten armen Kreaturen bellen und jaulen höre und mit ansehen muss,
wie sie herumstreunen und ums Überleben kämpfen müssen.
Vor
einer Woche hat der Krebs über Adonis Leben gesiegt, und die Tiere
werden ihr Herrchen nun nie mehr wieder sehen. Man erwartet nun, dass
die restlichen Hunde ein Asyl finden werden, so dass in Eftalou wieder
Ruhe einkehrt. Waren seine Tiere im letzten Jahr auch eine Plage und
waren Ursache für eine Menge Unannehmlichkeiten, so denke ich doch
liebevoll an Adonis zurück. Wir werden nie wieder den um 90 Grad
gebeugten Mann über die Eftalou-Straße schlurfen sehen, sein Geschrei
und Fluchen, wenn er Gefahr für seine Lieblinge witterte, wird für ewig
verstummt sein, wir können nicht mehr mit ihm plaudern, wenn er vor
seinem Häuschen an der Straße saß und dabei heimlich die vorbei
schlendernden Touristen belauerte. Nie wieder wird er mir mit einer
Lawine von griechischen Worten antworten, die ich nur mit Mühe verstehen
konnte, aber trotzdem: „Ich habe mich gerne mit Dir unterhalten,
Adonis!“
Einem seiner Hunde habe ich bei mir ein neues Zuhause gegeben, und ich
hoffe inständig, dass auch die anderen schnell eine gute Unterkunft
finden, damit Adonis seinen Frieden findet. Trotz aller Probleme, die er
ja eigentlich indirekt heraufbeschworen hat, werden wir dieses Urgestein
von Eftalou vermissen. Ich frage mich, ob auch Hunde und Katzen in die
ewigen Jagdgründe, in die er jetzt gezogen ist, aufgenommen werden...
Adieu, Adonis und mach es gut!
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