Molyvos (Mithimna)

Lesvos

Home

Home
Lesvos-News 2010

23.Dezember 2010
13.Dezember 2010
8.Dezember 2010
24.November 2010
17.November 2010
8.November 2010
1.November 2010
23.Oktober 2010
11.Oktober 2010
6.Oktober 2010
27.September 2010
22.September 2010
14.September 2010
7.September 2010
1.September 2010
24.August 2010
16.August 2010
10.August 2010
2.August 2010
28.Juli 2010
19.Juli 2010
13.Juli 2010
6.Juli 2010
29.Juni 2010
22.Juni 2010
15.Juni 2010
10.Juni 2010
3.Juni 2010
27.Mai 2010
21.Mai 2010
12.Mai 2010
6.Mai 2010
1.Mai 2010
17.April 2010
8.April 2010
30.März 2010
26.März 2010
14.März 2010
10.März 2010
4.März 2010
22.Februar 2010
16.Februar 2010
8.Februar 2010
2.Februar 2010
25.Januar 2010
19.Januar 2010
12.Januar 2010
5.Januar 2010

BOULEVARD NEWS AUS LESVOS

 

Ein Porträt von Theophilos in Karini

Ein Porträt von Theophilos in Karini

 

11.Oktober 2010 - Send me a postcard, darling

Aus dem Holländischen/Englischen von Gabriele Podzierski 

 

Als ich noch ein Kind war, es noch kein TV gab und ich auch noch zu klein war, um die Zeitung zu lesen, waren meine ersten Bilder, die mich in die ferne exotische Welt führten, Ansichtskarten. Wer erinnert sich nicht, an die Abbildungen: Die spanische Flamencotänzerin mit leuchtend-bunten Röcken aus Stoff (ich meine echtem Stoff!), das Eselchen mit Strohhut auf dem Kopf, dem Bergpanorama hinter azurblauem See, das Männlein aus Lappland in seiner traditionellen Tracht oder auch die tanzenden Frauen in ihrer griechischen Kleidung, etc.

 

In jenen Tagen war es so, dass der Postbote unseren Briefkasten nicht selten mit Grüßen von Freunden und Familie aus ihren Urlauben in aller Herrenländer füllte... Heutzutage bleibt der Briefkasten beängstigend leer von Urlaubspost, und nur zum Geburtstag und zu Weihnachten trudelt die ein oder andere Glückwunschkarte ein. Tja, auch ich habe früher ellenlange Namenslisten von den Personen erstellt, denen ich unbedingt eine Karte aus dem Urlaub schicken wollte, und war dann mindestens einen ganzen Nachmittag mit Schreiben beschäftigt, und heutzutage? Na, da greift man zum Telefon, schreibt ne SMS oder eine E-Mail um den Daheimgebliebenen zu berichten, dass alles gut ist an seinem erreichten Feriendomizil.

 

Alte Ansichtskarten sind inzwischen Raritäten zu Sammlerobjekten geworden, und manche davon bieten einen schillernden Rückblick in die Geschichte. Alte Relikte von Lesvos und Griechenland kann man mittlerweile im Internet (z.B. bei Ebay, Anm.der Überetzerin) finden, wie z.B. interessante schwarz-weiß Aufnahmen von Mytilini und selbst welche von Agiassos.

 

Theophilos Chatzimichail (bekannt unter dem Namen Theofilos) war ein griechischer Maler, der um 1870 in Varia (bei Mytilini) geboren wurde und 1934 starb. Obwohl er nicht sein ganzes Leben Lesvos verbrachte, sagt man doch, dass er „Der Maler von Lesvos“ sei. Theofilos soll, neben seiner künstlerischen Arbeit, als Portier für das griechische Konsulat in Smyrna und als Hirte in Pilion tätig gewesen sein. Im thessalischen Volos verdiente er sein Geld, indem er Häuser, Geschäfte und Fassaden mit Wandmalereien schmückte. Nach ungefähr 30 Jahren in der Fremde kam er wieder zurück nach Lesvos und übte auch hier die Wandmalerei aus, bis er so ca. 5 Jahre später starb.

 

Der exzentrische Theophilos war für die Menschen seinerzeit schon ein ziemlich „seltsamer Vogel“ und daher auch Zielscheibe für Hänseleien. Er war verrückt nach den Geschichten über die griechischen Helden und die Kriege, in denen sie zogen. Zum Gespött seiner Zeitgenossen liebte er es in der kurzberockten griechischen Nationaltracht herumzulaufen, sein Lieblingskostüm zu Karneval war das von Alexander des Großen, neben den Verkleidungen als mazedonischer Soldat oder als Held des griechischen Unabhängigkeitskrieges zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Geschickt stellte er alle Kostüme selbst her.

 

Theophilos nahm alle Arbeiten an, die er kriegen konnte. Neben naiven Gemälden, fertigte er so Bühnenbilder für das Theater an, und war auch stets bereit, nur für eine Mahlzeit, mal die Wand eines Kafenions zu beleben. Noch heute sind Reste seiner Werke auf Lesvos und Pilion zu finden. Die bunteste Geschichte aus seinem Leben, die über ihn berichtet wird, ist die, dass er für eine Zeit in Karini (nah bei Agiassos) in einem hohlen Baum lebte.

 

Viel von seiner Kunst ist vernichtet oder verschwunden, und so ist das, was die Zeit überdauert hat, inzwischen ein Vermögen wert. Auf Lesvos erwartet Sie das „Theophilos-Museum“ in Varia, nah bei Mytilini, und diesen Monat gibt es nun eine Ausstellung seiner Werke im größten privaten Museum Griechenlands, dem „Benaki-Museum“ in Athen, die zur Diskussion darüber anregen wird, ob Theophilos wirklich der chaotische, eigensinnige Künstler war, wie berichtet wird, oder ob sein Charakter vielmehr so war, wie seine Kunst: einfach und naiv.

 

In der Zeit, zu der Theophilos lebte, waren Ansichtskarten bereits in Mode.

Auf Fotografien und gemalten Postkarten wurden die Motive dargestellt, die auch er in naivem Stil malte: Menschen in traditioneller Tracht, ländliche Szenen mit Hirten oder Bauersleuten, Landschaften mit Dörfern im Hintergrund.

 

Auch Maria Moschoe, eine Kunsthistorikerin aus Athen, wirft in einem Artikel, der am 1. Oktober 2010 in der „AthensPlus“ erschien, die Frage auf, ob Theophilos naiv war oder gar klug genug, mit seinen Bildern den Zeitgeist der Menschen zu treffen und darzustellen, was sie sehen wollten, eben die populären Motive, wie griechische Helden, Handwerker, Straßenhändler, etc.

 

Und nun zu der Frage, was heute die beliebten Motive auf Ansichtskarten aus Griechenland sind. Neben wunderschön fotografierten Landschaften und Dörfern, geht der Trend zu Porträts von ausdrucksstarken Gesichtern von alten Menschen, Berufsbildern, die bald ausgestorben sind, und – wieder – Personen in traditioneller Tracht, die man heute gar nicht mehr trägt.

 

Tja, ich frage mich, was Theophilos wohl malen würde, hätte er ein Jahrhundert später gelebt? Vielleicht die Autos, die auf den Wegen die Landschaft durchkreuzen, oder hätte er als Motiv doch die Inselregionen gewählt, in denen die Zeit stehen geblieben ist? Würden ihn die Touristen reizen, die in sommerlich leichter Kleidung durch die Gassen von Molyvos und Petra schlendern, oder mehr die albanischen Arbeiter auf den Baustellen, bestäubt mit weißem Zement? Würde er es wagen, halbnackte Frauen abzubilden oder sich doch für die alten Männer entscheiden, die, bei einem Tässchen Kaffee den Morgen im Kafenion verbringen?

 

Stelios Kouniaris, Hüter der Burg von Molyvos, der heutige Theophilos der Insel, lässt sich nicht von der Nacktheit oder Autos aus dem Konzept bringen.

Wenn man seine Bilder betrachtet, muss man schon ganz genau hinschauen, um Autos und sonnenbadende Touristen im Badeanzug zu erkennen. Die Attribute der Neuzeit sind nicht vordergründig, eher wie streunende Hunde und Katzen ziehen sie sich durch seine Gemälde.

 

Sowohl die Werke von Theophilos als auch von Stelios Kouinaris bieten eine bunte Ansicht in das griechische Leben und wären ein tolles Mitbringsel, wenn es für Sie wieder zurück in Ihre Heimat geht. Sollten Sie sich für einen Theophilos entscheiden, werden Sie sich wohl mit einer Postkarte begnügen müssen, außer, Sie sind Kunstsammler und bereit, einen großen Batzen Geld dafür hinzulegen. Bei Stelios Kouinaris sieht es noch anders aus, da er bisher keinen allzu bekannten Namen auf dem Kunstmarkt hat und noch nicht von den großen Galerien entdeckt wurde. Ein Bild von ihm ist derzeit noch bezahlbar, und trotzdem hat Stelios in der Burg von Molyvos, wo er arbeitet, Stapel von Ansichtskarten seiner Werke ausliegen. Also: Send me a postcard, now!.

 

Klicken Sie hier, wenn Sie mehr über Stelios Kouinaris wissen möchten.