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BOULEVARD NEWS AUS LESVOS

 

Das TV-Programm "Stin ygeia mas"

Das TV-Programm "Stin ygeia mas"

 

8.Februar 2010 - Stin ygeia mas

Aus dem Holländischen/Englischen von Gabriele Podzierski 

 

Für die Griechen brechen wegen der allgemeinen Wirtschaftskrise schwere Zeiten an, aber so schnell das Handtuch werfen, dass liegt nicht in der Natur dieses Volkes und schon mal gar nicht in den Tagen vor Beginn der 40tägigen Fastenzeit bis zum Osterfest: Der Karneval ist angebrochen – Grund und Anlass all die Sorgen so gut wie möglich an die Seite zu schieben.

 

3 Wochen feiern die Griechen Karneval (Apokriés). Man nimmt Abschied vom Fleischessen. In der erste Woche nimmt man sozusagen Anlauf. Man isst überwiegend Fleisch, und der Höhepunkt dieser Woche ist der Donnerstag vor Fasching (Tsiknopempti = „Geräucherter Donnerstag), an dem man überall den Grill anschmeißt, um sich an gerösteten Fleischmassen zu laben. Der Käsesonntag (Kyriaki tis Tyrinis) läutet alsdann die Käsewoche ein, in der hauptsächlich Milchprodukte gegessen werden. Das darauf folgende große Karnevalswochenende schließt mit dem Rosenmontag (Kathari deftera = Sauberer Montag), dem Beginn der Fastenzeit, am 15.Februar, ab.

 

Für die Menschen, denen so gar nicht der Sinn danach steht, vor die Tür zu gehen und/oder sich in den Faschingstrubel zu stürzen, gibt es die Möglichkeit, daheim vor dem Fernsehgerät zu feiern. Die typisch griechische TV-Musik-Show „Stin ygeia mas“ (ausgesprochen stin jamas) lieferte am letzten Tsiknopempti ein Sonderprogramm, und zwar einen regelrechten Partyspaß, mit Gesang, Tanz und Ulk, was, zugegeben, mit nüchternen niederländischen Augen betrachtet, äußerst kurios wirkte.

 

Seit 2005 strahlt einer der größten griechischen TV-Sender, NET,  an einem jeden Samstag die vorgenannte 3-stündige Show aus. Sie müssen sich das so vorstellen: An einer langen Tafel, in all den Jahren stets hübsch dekoriert, sitzen die Gäste, und zwar eine bunte Palette von Sänger, Sängerinnen, Musikern, Fans und der Moderator Spiros Papadopoelo, ein aus vielen TV-Serien bekannter Schauspieler. Nach einer kurzen Einleitung schleicht sich der erste Sangeskünstler aufs Podium, wo ihn Mikrofon und Orchester erwarten, und der Abend kann beginnen...

 

Sollten Sie Interesse daran haben, das umfangreiche Repertoire griechischen Liedguts kennen zu lernen, so schalten Sie am besten jeden Samstagabend dieses Programm ein, denn es werde stets die populärsten Songs zu Gehör gebracht, so dass die Gäste und der Moderator lauthals mitsingen können: „Kannst Du singen? Dann sing mit!“ ist das Motto des Abends, und ich garantiere, nach einem Jahr „Stin ygeia mas“ schauen, können Sie beinah jedes Stück mitträllern.

 

Wenn dann der Abend fortgeschritten ist und fast alle Leute hinterm Mikrofon waren, ob auf der Bühne oder am Tisch, lockert sich die Atmosphäre, und es werden Blumen verteilt, mit denen man dann die Sangeskünstler bewirft. Früher waren es Teller, die zu Bruch gingen, um einem Sänger zu applaudieren oder ihn anzufeuern, aber wahrscheinlich ist das doch nicht ganz ungefährlich, denn seit Jahren ist das Tellerwerfen verboten und man soll jetzt seinen Gefühlen nur noch mit Blumen Ausdruck geben. Aber wir kennen doch die Griechen mittlerweile, und so werden selbst im TV-Programm „Stin ygeia mas“ immer noch regelmäßig die Teller aus dem Schrank geholt, um dann in Dutzend Scherben auf der Tanzfläche zu enden.

 

Obwohl meist immer wieder dieselben Gesichter in der Sendung auftauchen,

sind auch regelmäßig die „Großen“ der griechischen Musikszene zu Gast, wie z.B. Giorgos Dalaras, Yannis Parios und Kostas Chatzis. Manchmal kommen auch besondere Gäste, so wie ein singender Priester oder eine Volkstanzgruppe mit recht jungen Musikanten. Tja, und dann kann schon mal was aus dem Ruder laufen, was dem Unterhaltungswert der Sendung aber natürlich nur zugute kommt. Schauen Sie mal rein in den “Tafeltanz“ und dem einem Slapstick anmutenden “Besentanz“.

 

Solch ausschweifende Gelage, mit Gästen, die ungeniert singen, tanzen und sich betrinken, kann man sich im niederländischen oder deutschen Fernsehen so gar nicht vorstellen. Aber für einen griechischen Abend ist das bezeichnend, egal ob im TV, auf einer Hochzeit oder bei einem lebhaften Abendessen. Sobald es Livemusik gibt, wird reichlich gesungen und getanzt, auf der Tanzfläche, neben den Tischen oder zwischen langen Dinertafeln.

 

„Stin ygeia mas“ ist aber nicht immer unterhaltsam. Regelmäßig sitzen auch alte Knacker am Tisch, die sich nicht ein einziges Lächeln abringen können, und dann kann man nur hoffen, dass wenigstens die Musik gut ist. Wenn aber Dimitris Starovas oder Yannis Zoeganelli dabei sind, können Sie mit einem musikalischen Feuerwerk rechnen.

 

Aber manchmal kann man auch eine Stecknadel fallen hören, so ruhig wird es, z.B. wenn die Sängerin Iro Lechoerti auftritt und ihr Liedgut zu Gehör bringt. Und ab und an werden nicht nur traditionelle griechische Stücke dargeboten, sondern man überrascht mit echtem spanischen Gesang und Tanz, Popsongs oder gar damit: Die Gruppe “Cabaret Balkan“.

 

Es ist klar: Die Musik liegt den Griechen im Blut. Der Rebetika ist einer der populärsten griechischen Musikstile. Entstanden ist er im frühen 20. Jahrhundert, und es ist eine Mischung aus türkischer Musik, mitgebracht von den Flüchtlingen aus Smyrna, und einer Musikrichtung, die es in Piräus gab. In den 20iger Jahren war es der „Griechische Blues“, gespielt in Hasch-Cafés und Elendsvierteln großer Städte. Auch der Rebetika ist noch häufig in „Stin ygeia mas“ vertreten, auch wenn er den jüngeren Leuten recht altmodisch ans Ohr kommt. Doch die derzeitige Krise kann dazu führen, dass diese Musik wieder einen Aufschwung erlebt, denn mit Wehmut im Herzen inbrünstig die Melodien mitsingen, das ist größtes griechisches Vergnügen, und das werden wir in den kommenden schweren Zeiten bitter nötig haben.