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BOULEVARD-NEWS LESVOS
Blumenwiese mit Klatschmohn und Orchideen
5.April 2015 - Ostern ohne Grenzen
Aus dem Holländischen von Gabriele Podzierski
Am
6. April diesen Jahres feierte der größte Teil West- und Südeuropas
zusammen mit einigen anderen katholischen Ländern das Osterfest, während
für andere Teile der Welt, wie Osteuropa und Regionen des orthodoxen
Glaubens, dieses religiöse Fest eine Woche später angesetzt ist. Warum
das so ist? Ganz einfach: Weil Politiker und Kirchenführer die Sturheit
der Esel an den Tag legen können.
Aber zunächst frage ich mich, warum Ostern immer auf ein anderes Datum
fallen muss, obwohl ich ja schon erleichtert bin, dass es ein jedes Mal
mit demselben Wochentag beginnt, seit ich weiß, mit welch kompliziertem
Berechnungssystem man bei der Festlegung vorgeht. Kaum zu glauben, dass
dabei Kalender, Mondstand und der Zeitpunkt der Frühlingstag- und
Nachtgleiche herangezogen werden. Tja, und beim Kalender wird’s schon
kompliziert, da die katholische Kirche sich nach dem gregorianischen
Kalender richtet, während die orthodoxe Kirche noch an dem julianischen
festhält. Oh, und ich muss auch noch erwähnen, dass das Passahfest und
der jüdische Monat Nissan bei der ganzen Sache auch noch eine Rolle
spielen: Bei den Katholiken fällt Ostern schon mal vor Passah, während
es für die orthodoxe Kirche unmöglich ist, Ostern vor dem Gedenktag der
Kreuzigung und Auferstehung Christi zu feiern.
Tja, und somit fallen das eine und das andere Osterfest nur alle 4 Jahre
auf einen gemeinsamen Tag. Der „Ökumenische Rat der Kirchen“ versucht
zwar seit Jahrzehnten, die beiden Kirchen für eine Vereinheitlichung zu
begeistern, aber seit das Problem 1997 auf einer Kirchenkonferenz
angesprochen und ein gemeinsamer Vorschlag erarbeitet wurde, ist
diesbezüglich nichts mehr geschehen. Auch der Versuch, Ostern auf einen
bestimmten Tag, wie z.B. den 2. April-Sonntag, festzulegen, scheiterte
kläglich.
Ostern ist das größte Fest der Griechen, und nach einem solch kalten und
nicht enden wollenden Winter kann man den Tag kaum erwarten, denn mit
ihm ist die dunkle Jahreszeit endlich vorbei und die warmen Monate nicht
mehr fern. Auf den Inseln und in anderen touristischen Regionen beginnt
mit dem Fest auch die Sommersaison, denn die Griechen schwärmen aus
allen Landesteilen aus, um gemeinsam mit Familie und Freunden Ostern zu
feiern.
So
werden auch auf Lesvos die ersten Gäste eintreffen, aber nicht nur
Griechen, denn der April ist der Monat, der Vogelbeobachter und „Orchiologen“
mit ihren Fotoausrüstungen wieder auf die Insel zieht.
Aber ehrlich gesagt kann ich mir nicht so wirklich vorstellen, dass es
in diesem Jahr überhaupt Sommer wird, denn, obwohl sich inzwischen nun
endlich der Himmel ab und an azurblau färbt und die Sonne sich häufiger
zeigt, bleiben die Nächte bitterkalt und auf Jacke, Schal und Mütze kann
ich immer noch nicht verzichten. Die Vogelbeobachter sagen sogar, dass
aufgrund des anhaltenden Winterwetters viel weniger Zugvögel die Insel
für ihren Zwischenstopp auswählen werden.
Tja, und so müssen die ersten mutigen Touristen diese Tage ganz schön
frieren, und ich hoffe nur auf ihr Verständnis dafür, dass sich die
Vorbereitungsarbeiten für die Saison verzögert haben, denn bei dieser
Kälte und Nässe konnte unmöglich gegärtnert und gemalert werden.
Nichtsdestotrotz waren aber von einem auf den anderen Tag die
Schwalben, die traditionellen Frühlingsboten, wieder da und schwirren
seitdem zwitschernd durch die Lüfte, als hätten sie die Insel nie
verlassen. Es scheint, als war ihr Gezwitscher der Startschuss für den
Frühling, denn von da an erblühte und ergrünte die Insel mit aller
Macht. Auch in meinem Garten schießen wilde Gräser und Blumen mit solch
einer Kraft in die Höhe, dass man meinen könnte, sie wollen die Wipfel
der Bäume erreichen, die den Winter überlebt haben. Ja, sie lesen
richtig, so traurig es ist: Viele Pflanzen sind nicht übrig geblieben in
den Gärten, denn der für Lesvos so untypisch bitterkalte Winter hat
ihnen das Leben genommen, und so werden bei den Blumenhändler und
Gärtnereien in diesem Frühjahr die Kassen nur so klingeln.
Nicht nur Pflanzen und Vögel sind die Leidtragenden des kalten Winters,
auch eine Touristenattraktion der Insel Kreta ist ihm zum Opfer
gefallen: Das Krokodil mit Namen Sifi, das seit einiger Zeit in einem
Stausee lebte, ist Ende März tot geborgen worden, weil es nach Angaben
der Behörden die kalten Temperaturen nicht verkraftet haben soll.
Im
Orchideenleben ticken die Uhren anders: Monatelang sind diese frivolen
Blumen unter der Erde geblieben, um ja keinen Schnupfen abzukriegen, und
jetzt schießen sie in großer Zahl aus dem Boden, ohne sich darum zu
scheren, dass einige von ihnen viel zu früh dran sind. Wer weiß,
vielleicht haben diese Pflanzen eine ähnlich komplizierte Formel für die
Berechnung ihrer Blütezeit, wie die Kirchen fürs Osterdatum, denn
bislang ist die Frage nicht beantwortet, weshalb die eine Orchidee zu
Beginn und die andere zum Ende des Jahres erscheint. Für die „Orchiologen“
wäre es einfach nur großartig, wenn alle Arten jedes Jahr zeitgleich
ihre Blüten zeigen würden, aber die Natur hat ihre eigenen Lebensregeln
und macht, wie der April, dass was sie will. So auch die katholische und
orthodoxe Kirche, die aber, im Gegensatz zur Natur, einen gemeinsamen
Zeitplan vereinbaren könnten. Warum können beide Seiten nicht mal ihre
Sturheit ablegen und allen Menschen, die das Osterfest feiern, die
Möglichkeit geben, dies gemeinsam an ein und demselben Tag zu tun?
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