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BOULEVARD-NEWS LESVOS

 

Schnee in Eftalou 2004

 

7.Januar 2015 - Frohes Neues Jahr!

Aus dem Holländischen von Gabriele Podzierski 

 

Zu Beginn des neuen Jahres präsentierte sich Lesvos mit einer dicken Schneedecke. Besonders in den höheren Regionen schneite es reichlich, so dass man die Gegend um Agiasos in „Kleine Schweiz“ umbenennen konnte. Schon ohne dieses weiße Kleid ist das Bergdorf malerisch, aber so ist es einfach ein alpines Paradies und Fotografen konnten  gar nicht oft genug auf den Auslöser drücken. Auch die Bilder von Anemotia im Schnee, die ich gesehen habe, können mit der Winter-Schönheit Agiasos konkurrieren.

 

Den ersten Winter, den ich 2003 auf Lesvos verbrachte, war bitterkalt und von Schneeregen geprägt. Ich erinnere mich noch zu gut, dass jede vom Himmel torkelnde Schneeflocke sämtliche Dorfbewohner auf die Straße lockte, da es für sie ein sehr seltenes Naturschauspiel war. Der Winter des darauffolgenden Jahres hatte wieder Schnee im Gepäck. Es schneite etwas mehr, so viel mehr, dass man die Flocken nicht mehr zählen konnte und Molyvos weißbekleidet dalag. Danach war für mich ganz klar, dass die Griechen ein schlechtes Langzeitgedächtnis haben müssen, taten sie doch so, als sei Schnee etwas ganz Besonderes, und ich erlebte ihn nun den zweiten Winter infolge. So reichlich war die weiße Pracht damals, dass selbst Eftalous Strände unter einer Schneedecke begraben waren, was natürlich niemand zuvor erlebt haben will.

 

Nun muss ich zugeben, dass die Winter seitdem viel milder geworden sind und ich seit 2004 kein Schnee mehr in Eftalou gesehen habe, auch wenn die Gipfel der beiden höchsten Berge der Insel, Lepetymnos und Olymp, ab und an einen weißen Anstrich trugen (im letzten Jahr blieben sie grün).

 

Dass griechische Winter nicht kalkulierbar sind, zeigen die variierenden Temperaturen am Neujahrstag: 2010 zeigte das Thermometer frühlingshafte 23 Grad an, während das Jahr 2007 mit minus 7 Grad anfing. Dieses Jahr waren es 3 Grad, und einige Tage später fielen die Temperaturen unter Null, so dass in vielen Orten, auch hier an der Küste, die Wasserleitungen einfroren und Rohre zerbarsten.

 

Die niedrigen Temperaturen sind derzeit jedoch nicht wirklich das große Problem, sondern das stellt sich durch den frostigkalten Nordwind dar, welcher sich zu Beginn des Jahres in einen dermaßen heftigen Sturm verwandelte, der einen Aufenthalt im Freien schier unmöglich machte. Noch immer bläst dieser Voreas („der Nördliche“) seinen eiskalten sibirischen Atem über die Insel: Was für eine unglaubliche Kälte!

 

Mich persönlich überraschte das neue Jahr mit einer lästigen Grippe, so dass ich leider die so seltene weiße Pracht nicht bei einem Spaziergang genießen konnte. Gestern, als ich gut eingepackt in dicken Decken in meinem Bettchen lag, wanderten  meine Gedanken in den Hafen von Molyvos, wo Epiphany (s. Lesvos-News vom 6.1.2008) gefeiert wurde. Nahezu ein jeder Dorfbewohner ist dabei, wenn der Priester das Wasser segnet, und der Gedanke an die jungen Männer, die bei dieser Kälte, nur mit einer Badehose bekleidet, am Hafenbecken stehen, um alsbald ins eisige Wasser zu springen, ließ mich selbst warm eingepackt erschaudern. Nicht mal ein Eissturm kann sie von der Tradition abhalten, nach dem Kreuz zu tauchen, dass der Priester zuvor ins Meer wirft.

 

Ausgerüstet mit Wärmeflasche, heißen Getränken und Bergen von Papiertaschentüchern musste ich also das Bett hüten, was mir Zeit gab, den Beginn des neuen Jahres Revue passieren zu lassen. So wie das Wetter, steht auch das politische Barometer auf Sturm. Die Nachricht über den Angriff auf „Charlie Hebdo“ erschütterte mich wie ein schweres Erdbeben auf meinem Krankenlager. Ich habe diese französische Satirezeitschrift verschlungen, als ich noch in Frankreich lebte, habe sie aber leider seit Jahren aus den Augen verloren. Ich fragte mich, ob die nächste Ausgabe sich mit „Grexit“ beschäftigt hätte, einem Griechenland ohne Euro, oder einem Europa ohne Griechenland, und fiel wieder in einen fiebrigen Schlummer, der mich von der Einführung der Drachme träumen ließ. Ich sah seltsam gekleidete Leute, die in einem farbenfrohen Umzug, wie auf einem Hieronymus-Bosch-Gemälde, durch  die Gassen des verschneiten Agiasos prozessierten. An jeder Straßenbiegung wurden es mehr und mehr Leute: Sie wedelten fröhlich mit riesigen Bündeln aus Drachmenscheinen, machten sich über die griechischen Götter lustig, ihr Verhalten wurde immer obszöner und ihre Schreie immer lauter, bis zunächst der Schnee und dann das Dorf unter der riesigen Menschenmasse verschwand und zuletzt nur eine graue schleimige Masse übrigblieb.

 

In wenigen Wochen beginnt der Karneval, für die Griechen die Gelegenheit, sich über alles, was ihnen missfällt, auszulassen. Der griechische Karneval (apokries) sind die bunten Tage der Satire, und dann ist nichts so heilig, dass es nicht angegriffen werden darf. Vor allem das malerische Agiasos ist bekannt für seine scharfen politischen Sticheleien. Schon werden Wetten abgeschlossen, dass in diesem Jahr besonders herzhaft gelacht wird, denn je schlimmer es dem Land geht, umso besser ist die Satire, und keine Kalaschnikow noch sonst eine Gewaltausübung wird diese karnevaleske Kritik im Keim ersticken können.

 

Ich wünsche Ihnen ein gutes friedvolles 2015!