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BOULEVARD-NEWS LESVOS

 

Noch immer kein griechischer Frühling

 

10.März 2015 - Die Autorin im Kampf

Aus dem Holländischen von Gabriele Podzierski 

 

Kälte, Regen, grau in grau, und nur ab und an ist ein Blick auf eine bunte Blumenwiese zu erhaschen. Wo bleibt der strahlende griechische Frühling? Fakt ist, dass er in diesem Jahr nur sehr langsam in Gang kommt, und Fakt ist auch, dass das Wetter krank macht.

 

Bei mir sieht es so aus, dass ich  bereits das zweite Mal seit Beginn des neuen Jahres mit grippeähnlichen Symptomen, wie Husten und leichtem Fieber kämpfe… leicht? Nachdem ich einen ganzen Tag verschlafen hatte und mich zur Nacht wiederum niederlegte, stürzte ich in einen Fiebertraum, der mich in eine Hölle nach dem Inferno-Bild von Dante katapultierte. Ich zerbrach mir den Kopf über ein neues Thema für die News und dachte besorgt über die blumenarme Insellandschaft nach, und dann brach es über mich ein: Frühlingsblüher, so groß wie riesige Monster, erschienen mir, und die wabernden Bilder waren dermaßen bedrohlich einnehmend, dass sie mir schier die Luft zum Atmen nahmen.

Tja, und als sei dieser Albtraum nicht schon ausgefüllt genug, erschien da auch noch diese aggressive Kohlmeise, die seit Wochen vergeblich versucht, die Glasscheibe eines unserer Fenster mit ihrem Dauerpicken zu zerbrechen. Dieses Vögelchen blieb aber nicht lange in seiner Gestalt, sondern nahm die einer großen, schwarzen Krähe an, das Fenster färbte sich dunkel, und das Klickgeräusch des Pickens wurde zu einem  bedrohlich dröhnenden Trommelschlagen in hektisch treibendem Rhythmus. Dann konnte ich vor meinem inneren Auge noch mit ansehen, wie der Rabenvogel zu einer schwarzen breiigen Masse wurde, der ein furchterregender Drache mit aufgerissenem blutrotem Maul entstieg und Feuer spuckend versuchte, das Fensterglas zum Zerbersten zu bringen. Oh, welch ein Segen, dass die Fenster weder Sturm, Regen noch Albtraummonster durchließen.

 

Na, haben Sie noch Nerven für den Fortgang meines Fiebertraums?  Der nächste Akt war der Auftritt der Ameisen, die in der letzten Woche meine Küche unsicher machten. Ich war ja eigentlich davon ausgegangen, dass diese Krabbeltiere nur zu Zeiten der Hitzewellen Schutz im Haus suchen, aber  in diesem Monat kann man  ja nun wirklich nicht von sommerlichen Temperaturen reden, sondern mehr von eisigen Stürmen und Sturzbächen, die sich vom Himmel ergießen… Aber zurück zu meinem Traum: Die Ameisen versammelten sich auf der Küchenarbeitsplatte zu einer disziplinierten Armee, mit Rüstung und Schildern, na ja, eben so wie jene von Daenerys. Die Krieger marschierten Richtung Anrichte, stoppen konnte sie jedoch eine Schüssel mit Wasser, die ich aufgestellt hatte, um den Honig zu sichern. Flugs verwandelten die Ameisen sich in eine Pferdeherde, die den Wildlingen entkommen war. Diese Tierskelette, an denen nur noch blutige Hautfetzen hingen, hatten aber auch keine Chance, den Honigtopf zu erobern…

 

Sie werden sich wundern, aber trotz manch wirklich brutaler Bilder, verspürte ich nicht die geringste Angst, sondern beschäftigte mich nur damit,  diese Visionen irgendwie herunterzuladen  und mentale „Screenshots“ zu kreieren, damit sie nicht in Vergessenheit geraten, weil all dies ein fantastisches Material  für die nächsten Lesvos-News darstellte.

 

Tja, und dann als ich aufwachte, musste ich verwirrt und verwundert feststellen, dass ich diesen Reichtum an beeindruckendem Bildmaterial nirgendwo gesichert hatte. Nicht auf dem Computer, denn der war nicht in Betrieb und auch nicht auf meinem Smartphone, das nirgends zu finden war.  Ich musste trotz der ziemlich unruhigen Nacht lachen, und zwar über mich, dass ich solch eine Angst davor entwickeln konnte, kein Thema für die nächsten Lesvos-News zu finden und darüber, dass elektronische Medien in mein Hirn eindringen konnten. Einige von Ihnen, liebe Leser, haben bestimmt erkannt, was das für Bilder und Gestalten waren, die meine Träume belebten. Mein Fazit ist, dass man lieber nicht “Game of Thrones“ ansehen sollte, wenn man vom Fieber geplagt und nicht Fan solcher Albträume ist, denn diese TV-Fantasy-Serie über eine Welt im Krieg ist ausgezeichnet gemacht, nährt aber Fieberphantasien.

 

Während ich inzwischen mit weniger Schmerzen und gesunkener Temperatur auf dem Weg der Besserung bin, hat sich die Ameisenarmee verflüchtigt, wie der Schnee in der Sonne, bekämpft die  Kohlmeise nach wie vor mit ihrem Schnäbelchen die Fensterscheibe, und ich hatte Zeit, das Internet nach Inselneuigkeiten zu durchforsten. Gefunden habe ich jedoch nichts Berichtenswertes.

 

Obwohl Lesvos gerade aus dem Winterschlaf erwacht ist, ein jeder in seinem Garten wuselt, Hotels und Tavernen für die kommende Saison aufgehübscht werden und das Gekreische der Motorsägen das Singen der Vögel sowie den Klatsch und Tratsch über die nicht enden wollende Grippewelle übertönt: Mit Ausnahme des Wetters, gibt’s nichts Neues auf der Insel.

Restaurants stehen, wie alle Jahre immer wieder, zu unverschämt überhöhten Preisen, die keinen Käufer finden lassen, zum Verkauf (man wird sie auch in  dieser Saison einfach weiterführen),  und die Frage, wann denn nun das erste Boot im Hafen von Petra Richtung Türkei ablegt, bleibt nach wie vor unbeantwortet.

 

Jetzt wo der Frühling nicht so wirklich Vorboten schickt und wir mit einem für Griechenland so ungewöhnlichen Märzwetter zu kämpfen haben, kann ich mir so gar  nicht vorstellen, dass uns ein „echter“ Sommer erwartet. Man könnte fast meinen, dass wir in einer „Game of Thrones“-Folge  gelandet sind, in der, wo die Welt mit einem niemals enden wollenden Winter bedroht wird…