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BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
Sonnenfinsternis über Sarakina
12.Januar 2011 - Lang lebe die Wintersonne!
Aus
dem Holländischen/Englischen von Gabriele Podzierski
Wenn im Sommer der Himmel strahlendblau ist und die Temperaturen hoch,
so ist es nicht so, dass wir darüber in Jubel ausbrechen, denn dieses
Wetter gehört für Monate auf Lesvos zur Normalität. Aber dann, wenn die
Sommermonate vorbei sind, wird ein jeder Schönwettertag ausgekostet, als
sei er der letzte. Es gibt durchaus Unterschiede zwischen den
Sonnentagen im Frühling, Sommer, Herbst und Winter. In den kälteren
Jahreszeiten verändern die Sonnenstrahlen die Landschaft, und vor allem
das Licht taucht alles in wärmere Farben. Eigentlich merkt man es schon,
wenn der August zu Ende geht, Feuchtigkeit in die Luft kriecht, das
Licht rosig schimmert und alles in orange glüht. Herbstfarben sind in
der Natur einfach fantastisch anzusehen, und das Licht dieser Zeit setzt
alles perfekt in Szene.
Im
Winter präsentiert sich die Insel, im Gegensatz zum Sommer, in einem
saftig grünen Kleid, das sich immer wieder in einem anderen Licht
darstellt, wenn die Sonne es beleuchtet. Ich gehe davon aus, dass es mit
Einfallswinkel der Sonne auf die Erde zusammenhängt. Je tiefer die Sonne
steht, umso intensiver und wärmer ist das Licht, und man kann einfach
nicht genug davon bekommen,
die
betörenden Inselfarben im Zusammenspiel mit den faszinierenden Blautönen
des Meeres in sich aufzusaugen.
Den
Höhepunkt des Winters bilden die Alkyonides-Tage, ein Wetterphänomen,
dass im Januar schöne milde Tage, ohne Wind, herrschen lässt. Das ist
die beste Zeit im griechischen Winter, man hat das Gefühl, es sei
Frühling oder gar Sommer, und die vielen dann bereits in Blüte stehenden
Frühlingsblumen unterstreichen diese Empfindung.
Ich
bin immer davon ausgegangen, dass diese Wetterperiode nach Alkyone, der
Tochter des Windgottes, benannt worden ist
(s. Lesvos-News v.
20.1.2008), habe aber jetzt erfahren, dass es noch eine weitere
diesbezügliche Legende gibt: Alkyoneus, ist in der griechischen
Mythologie der älteste der Giganten von Thrakien, jenen Riesen, die
gegen die Götter des Olymps revoltierten. Er war der Anführer, und so
lange er sich in seinem Geburtsland Pallene aufhielt, unsterblich. Als
jedoch Herakles die ihm seinerzeit gestellte 10. Aufgabe löste, nämlich
die Rinder eines anderen Riesen mit Namen Geryonos zu stehlen, verwundet
er Alkyoneus mit einem Pfeil, zog ihn aus seinem geschützten Umfeld
heraus und entzog ihm somit alle Kraft, worauf der Titan starb. Aus
Trauer werfen sich daraufhin seine sieben Töchter, die Alkyoniden
genannt, ins Meer, um sich das Leben zu nehmen. Die Frau des Poseidon,
Amphitrite, bekam dieses Drama jedoch mit, hatte Mitleid und verwandelte
sie in Eisvögel.
Tja, so haben wir also 2 schöne Geschichten, die sich um die
Alkyonides-Tage weben. Manche Menschen nennen diese Schönwetterperiode
auch die Halkyonischen Tage, nach dem griechischen Wort „halcyon“ =
Eisvogel. Zum Stamm der Eisvögel (engl.: kingfisher) zählen auch „Halcyon
albiventris“ (Braunkopfliest), „Halcyon coromanda“ (Feuerliest) und der
„Smyrnensis Halcyon“ (Braunliest).
Eine Geschichte bezüglich einer Sonnenfinsternis, habe ich in der
griechischen Mythologie nicht gefunden. Nur so viel: Kriegführende
Armeen sahen dies als Zeichen der Götter an, dass sie ihre Waffen
niederlegen sollten. Nach Herodotos (Herodot) endete der langjährige
Krieg zwischen Lyder und Meder wegen einer Sonnenfinsternis im Jahre 585
vor Christus. Aber dass ist Geschichtsschreibung und hat nichts mit der
Mythologie zu tun.
Eine partielle Sonnenfinsternis hatten wir erst kürzlich, aber da waren
die Alkyonides-Tage noch nicht angebrochen, und Wolken machten es dem
Betrachter schwer. Jan, der sehr früh, und zwar noch vor Sonnenaufgang
aus dem Haus ging, hatte Glück: Er fuhr nach Sarakina (die Region um
Palios) und die Wolkendecke riss teilweise auf, so dass er großartige
Fotos von der runden Sonnenscheibe während der teilweisen Verfinsterung
durch den Mond machen konnte.
Theophrastus (371 – 287 v.Chr.) berichtet, dass zu seiner Zeit der
Astronom Matriketta auf dem Lepetymnos ein Teleskop aufgestellt hatte,
um damit die Sonne zu studieren. Es ist wenig bekannt über diesen
Wissenschaftler, aber ich kann mir schon vorstellen, dass er an den
Alkyonides-Tagen, die freie Sicht in das Firmament schenkten, nicht
hinter seinen Geräten wegzukriegen war, da ansonsten immer Wolken um
diesen Gebirgszug hängen.
Auch am 6. Januar profitierten die Griechen vom herrlichen Wetter der
Alkyonides-Tage . Während man in den Westkirchen hauptsächlich an diesem
Tag der Ankunft der 3 Weisen aus dem Morgenland gedenkt (Dreikönigstag),
gilt dieser Tag in der griechisch-orthodoxen Kirche, als Hochfest der
Epiphania, der Taufe Christi und der Offenbarung der Allerheiligsten
Dreifaltigkeit, also auch kein Tag der Mythen, sondern der Kirche.
Aber warum segnet man an diesem Tag auch gerade die Gewässer? Es könnte
was mit der Taufe Christi im Jordan zu tun haben. Auf jeden Fall finden
an diesem Tag, nach einem Festakt in der Kirche, Prozessionen in Städten
und Dörfern statt, die hin zum Wasser, einem Meer, See oder Fluss,
führen. Ist nichts davon vorhanden, suchen die Menschen ein Taufbecken
auf. Den vorangehenden Priestern folgen die Honoratioren und dann die
festlich gekleidete Bevölkerung. Am jeweiligen Gewässer angekommen,
spricht der Kirchenmann seinen Segen über das Wasser und die Boote, die
darauf dümpeln und wirft alsdann ein Kreuz in die Fluten, das von
mutigen Schwimmern, die der Kälte trotzen, geborgen wird. Wie das jetzt
bei dem Taufbecken praktiziert wird, weiß ich nicht genau, denn da
könnte der Pope das Kreuz ja eigentlich selbst herausfischen...
Naja, wie auch immer, sie werden beim Lesen feststellen, dass diese Zeit
jetzt eine sehr arbeitsreiche für Fotografen ist, die alle Hände voll
damit zu tun haben, das unvergleichliche Licht der Alkyonides-Tage
auszukosten, die Sonnenfinsternis einzufangen und die Griechen in ihrer
besten Kleidung auf ihrer Parade durch die Gassen auf ihren Bildern zu
verewigen.
Ja,
wir sind auf dem Weg schnurstracks in den Sommer, obwohl wir ja noch
Winter haben, aber eigentlich hat der Frühling hier bereits begonnen...
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