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BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
Heiße Quelle bei Lisvori
22.März 2011 - Die strahlende Insel
Aus dem Holländischen von Gabriele Podzierski
Soweit wir wissen, war Marie Curie (1867 – 1934) das erste Opfer der
Radioaktivität. Die Physikerin und Chemikerin polnischer Herkunft, die
in Frankreich wirkte, untersuchte die Strahlungen von Uranverbindungen
und gab ihnen das Wort „radioaktiv“. Da der Kontakt mit radioaktiven
Elementen in der damaligen Zeit noch nicht als gefährlich angesehen
wurde, ist mehr als wahrscheinlich, dass sie davon an Leukämie erkrankte
und mit 66 Jahren verstarb.
Anfang des 20. Jahrhunderts war die Welt begeistert von der Entdeckung
und ihrer großen Bedeutung für die Medizin. Welch ein riesiger Schritt
waren die Röntgenstrahlen in der Wissenschaft! Aber auch das radioaktive
Element Radium hielt für kurze Zeit umjubelten Einzug in die
Hausapotheken in Form von Salben, Cremes, Zahnpasta, Kosmetika, Seifen
und selbst Schokolade enthielt diesen Stoff, der als gesundheitsfördernd
galt. Sogar kleine Pads kamen auf den Markt, die man vor Nase oder Mund
hielt, um damit heilende Wirkung zu erzielen.
Mit
der Entdeckung der Radioaktivität im Jahre 1986 wurde auch bekannt, dass
viele Heiße Quellen Radium beinhalten und somit der Gesundheit sehr
zuträglich sein sollen. Es begann ein regelrechter Ansturm auf diese so
genannten Heilquellen, der sich aber auf die wohlhabenden Leute
beschränkte, die sich das Reisen leisten konnten. Man badete im
radioaktiven Wasser, trank es reichlich und atmete die verstrahlte Luft
ein. Schnell stellte man sich die Frage, wie man die große Masse an der
Radioaktivität teilhaben lassen kann. Es in Flaschen abzufüllen, war
nicht die Lösung, denn fügt man dem Radium Wasser hinzu, verliert es
nach nur einigen Stunden seine Wirkung. Tja, und dann kam man darauf,
ein radioaktives Gefäß zu entwickeln, so dass ein jeder seine kleine nie
versiegende heilende Quelle zuhause hatte, denn man brauchte nun nur
noch ein Glas Wasser über Nacht hineinstellen und konnte es am nächsten
Tag trinken. Der bekannteste „Topf“ aus dieser Zeit war der „Revigator“,
hergestellt in San Francisco und hunderttausendfach verkauft, und zwar
1929 zu einem Preis von 29,90 $: Für die damalige Zeit eine Goldgrube...
Dann, in den 30er Jahren, kam man so langsam dahinter, dass radioaktive
Produkte doch nicht so gesund sind, zumal die Produkte, die auf den
Markt kamen, immer stärker wurden, so dass das „Wundermittel“ häufig
überdosiert wurde. Trotz des daraufhin ausgesprochenen Verbots von
radiaktiven Erzeugnissen, konnte man einige Produkte noch bis in die
80er Jahre – natürlich illegal – erwerben.
Was
viele Menschen nicht realisieren, ist, dass ein jeder durch Atmosphäre
und Erde täglich sowieso einer geringen Strahlung ausgesetzt ist. Auch
Menschen „strahlen“ leicht und übertragen diese Energie, während man
zusammen schläft, auf ihre Bettgenossen! Die natürliche Strahlung
variiert von Ort zu Ort auf der Welt. So ergeben Messungen in Norwegen
höhere Werte, als z.B. in Deutschland, und an manchen Stellen in Indien,
Brasilien und China sind sie gar immens.
Das
Städtchen Ramsar, im Norden des Iran gelegen, schießt hier den Vogel ab.
Die dort gemessenen hohen Strahlungen haben Anlass zu einer Studie mit
dem Ziel gegeben, die
Auswirkungen auf die Bewohner wissenschaftlich zu
untersuchen. Wie auf Lesvos, gibt es in der Region von Ramsar mehrere
Thermalquellen, mit unterschiedlichem Radium-Gehalt. Sowohl Einheimische
als auch Touristen nutzen unbekümmert diese Quellen als Gesundbrunnen...
Ich
hab manchmal so im Spaß gesagt, dass die geringen Mengen (unschädlicher)
Radioaktivität in den Heißen Quellen hier auf Lesvos resistent gegen
Strahlung machen, na, eben so, wie manchen Insekten inzwischen Pestizide
nichts mehr anhaben können. Tja, und jetzt haben die Studien in Ramsar
meine Äußerung bestätigt: Die Bewohner sind resistent gegen
Radioaktivität!
Ich
hab keine Idee, wie hoch die Strahlendosis, aufgrund der vielen Heißen
Quellen, hier auf Lesvos sind. Es wohnen schon so lange Menschen hier,
von denen viele diese als magische Heiler genutzt haben, dass ich keine
Angst davor habe, dass Messungen etwas höher ausfallen könnten, wie in
Holland, zumal sich alle Wissenschaftler darüber einig sind, dass ein
wenig natürliche Strahlung keinen Schaden anrichten kann, während die
aus einem Kernkraftwerk natürlich, ohne Frage, ein anderes Kaliber hat.
Der Engländer James Chadwick, entdeckte 1934 das Neutron und erhielt
dafür ein Jahr später den Nobelpreis für Physik. Er ebnete mit seiner
Arbeit den Weg für die Kernenergie, das was daraus resultierte, war
nicht wirklich nobel und veränderte die Welt vollständig.
Griechenland hat kein Kernkraftwerk und auch die benachbarte Türkei
nicht, was sich jedoch ändern soll. Geplanter Standort für das erste
Atomkraftwerk ist Akkuyu, ein Plätzchen am Mittelmeer, in der südlichen
Provinz Mersin. Pläne für eine zweite Zentrale in Sinop, nah am
Schwarzen Meer, liegen ebenfalls bereits auf dem Tisch. Nicht weiser
geworden aus der Tragödie in Japan, hat die Türkei bekannt gegeben, dass
der Bau des ersten Kraftwerks fortgesetzt wird, so dass es in einigen
Jahren in Gebrauch genommen werden kann. Es sind die Russen, die diesen
Super-Meiler bauen, denn sowohl der türkische Ministerpräsident Erdogan,
als auch der ehemalige Minister für Energie und natürliche Ressourcen,
Hilmi Güler, haben der Welt versichert, dass das Werk resistent ist,
gegen Naturkatastrophen jeglicher Art... Doch die Proteste gegen das
Vorhaben werden immer lauter, zumal das Atomkraftwerk in der Nähe einer
Bruchlinie errichtet werden soll, in einem Gebiet also, dass bekannt
ist, für seine Erdbebengefahr.
Auf
dem gesunden radiumaktiven Lesvos ist für die Natur die schönste Zeit
angebrochen, und wer weiß, wenn die Wissenschaftler hinsichtlich Ramsar
wirklich Recht haben sollten, ist es möglich, hier auf der Insel eine
Resistenz gegen Radioaktivität aufzubauen, und das Kuren in den Heißen
Quellen bekommt eine weitere Bedeutung, nämlich sich gegen die
Auswirkung von nuklearen Katastrophen zu wappnen.
Resistent oder nicht, eines weiß ich mit Sicherheit: Ich bin definitiv
gegen den Bau von Atomkraftwerken, zumal, wenn sie in einem
Erdbeben-Risikogebiet stehen sollen...
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