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BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
Oliven schlagen für Jung und Alt
17.Dezember 2011 - Eben mal Oliven ernten
Aus dem Holländischen von Gabriele Podzierski
Jedermann ist derzeit hier emsig damit beschäftigt, die Oliven
einzuholen. In diesem Jahr ist die Ernte nicht so groß, denn der Regen
fehlte, was aber auch andererseits die Insekten davon abhielt, sich in
den Früchten einzunisten und sie zu verderben, so dass das Öl von sehr
guter Qualität ist.
Jedes Jahr helfe ich Freunden bei der Olivenernte und kehre dann nach
getaner Arbeit zwar ziemlich erschöpft aber zufrieden und erfüllt heim,
denn so anstrengend, wie diese Tätigkeit ist, soviel Spaß macht sie
auch, besonders, wenn man sie mit einem gemeinsamen Mahl abschließt.
Dieses Jahr krönte das wunderschöne Wetter den Job, und es ist nicht
übertrieben, wenn ich Ihnen erzähle, dass ich im Bikini in den
ausgelegten Netzen hätte sitzen können, so warm war es in der Sonne.
Das
Eiland zählt Millionen von Ölbäumen, und doch wird überwiegend immer
noch von Hand geerntet. Zwar setzt man hier und da inzwischen schon
Rüttelmaschinen ein, eine Art Baumvibratoren, ausgerüstet mit rund
drehenden, harten Plastikdrähten (ein schönes Männerspielzeug), aber
hauptsächlich „pflückt“ man die Oliven, nach wie vor,
wie es schon seit jeher gemacht wurde: Mit einem langen Stab
werden sie aus den Bäumen geschlagen.
Auch in Marokko wird es so gemacht. Schaut man sich das You-Tube
Filmchen über das
Olivenöl von Bhalil an, so fragt man sich als erfahrener
Olivenerntehelfer schon, warum so wenig Netze unter den Bäumen ausgelegt
sind. Ich habe gelernt, dass der Boden mit Netzen ausreichend bedeckt
sein sollte, da man ja ansonsten die abgeschlagenen Oliven, die daneben
fallen, mühsam aus der Erde klauben müsste.
Der
Film zeigt weiter, dass für die Pressung recht veralterte Gerätschaften
benutzt werden: Große runde Mühlsteine, die auf Lesvos bereits ihren
Platz im Museum gefunden haben, zermahlen die Früchte zu Brei, der auch
noch auf Matten geschmiert werden muss, die aufeinander gestapelt dann
gepresst werden. Tja, vor nicht allzu langer Zeit war das auch noch die
mühsame altmodische Vorgehensweise hier auf der Insel.
Ein
Blick nach Amerika zeigt eine Errungenschaft, die mir auch für die
hiesige Ernte nützlich erscheint:
Die mobile Olivenpresse. Man kann sie einfach im Olivenhain
vorfahren lassen, und sie verarbeitet die Früchte an Ort und Stelle, was
sicherstellen würde, dass sie auf jeden Fall sofort und ohne Verzögerung
gepresst werden, was sie qualitativ wertvoller macht. Hinzu kommt die
Arbeitserleichterung, denn es fällt dann weg, dass man die schweren
Säcke irgendwie zur örtlichen Olivenpresse karren muss.
Menschen sind erfinderisch, wenn es heißt, die Arbeit zu erleichtern,
und so hat ein kluger Kopf diese
Multi-Rüttelmaschine erfunden, obwohl ich mich frage, ob der
wirklich so effizient ist, denn für mich sieht das Ganze so aus, dass
der Mann bequem und ganz entspannt durchs Feld, entlang der Bäume, fährt
und die Frauen, die in die Netze gehen müssen, vor einem größeren zu
sortierenden Schlamassel sitzen, wie jetzt. Dann tendiere ich doch mehr
zu
diesem Machwerk, mit automatisch ausfahrbaren umgekehrten
Riesenschirmen, mit integrierten Rüttlern. Es umarmt den Baum innig,
knuffelt ihn einmal feste, und dann – hoppa - ab zu seinem nächsten
Artgenossen, tja, und die Frauen sind die mühevolle Arbeit los.
Ha,
es geht aber noch schneller, und zwar mit diesen
monströsen Maschinen, die erntend über die Bäume gleiten.
Unabhängig von der Tatsache, dass ich etwas altmodisch bin, hat diese
Methode in meinen Augen Nachteile, denn die Bäume müssen sehr niedrig
gehalten werden und in Reih und Glied stehen. Können Sie sich lauter
Spalier-Olivenhaine auf Lesvos vorstellen? Wie schrecklich wäre es, die
stolzen, prächtig hoch und individuell gewachsenen ausdrucksstarken
alten Olivenbäume zu kappen, um Platz zu machen, für kleine in ihrer
Form gezähmten Pflanzen? Das, die Landschaft ausmachende Bild, wäre
dramatisch negativ verändert, und es wäre vorbei mit einer Ernte voller
Freude und Romantik.
Ich
verstehe ja, dass man nach Arbeitserleichterung und Effizienz strebt,
aber was ist falsch an den Oliven von Lesvos, die mit Sorgfalt - meist
auch noch mit Freude - geerntet werden und ein solch qualitativ
hochwertiges Öl schenken? Ich hoffe inständig, dass es noch ganz lange
dauert, bis Stäbe und Netze durch irgendwelche Monstermaschinen ersetzt
werden. Na ja, derzeit sieht es so aus, dass diese eh hier nicht überall
eingesetzt werden können, denn zu 80% liegen die Olivenhaine an steilen,
unwegbaren steinigen Berghängen, die für die Maschinen unerreichbar
wären.
Zwar würde es jetzt gut in diese News passen, und es würde sich
romantischer lesen, wenn ich Ihnen jetzt erzählen würde, dass mit der
Hand geerntete Oliven sowieso eine bessere Ölqualität hergeben, aber ich
denke, dass ich Sie über so etwas Wesentliches von Lesvos korrekt
informieren sollte: Die Tatsache, dass das Öl von Lesvos von so
hervorragender Güte ist, hat nichts mit der Art und Weise der Ernte zu
tun, sondern weil wir es hier mit einer besonderen Olivensorte, einem
idealen Klima (relativ milde Sommer und Winter) und der besonderen
Topologie der Haine zu tun haben.
Die
Esel, die in Marokko noch bei der Ernte eingesetzt werden, sind hier
bereits überall durch Pick-Ups ersetzt worden, und leider ist dieses
Nutztier in Griechenland inzwischen vom Aussterben bedroht, aber das ist
ein Thema für eine der nächsten Ausgabe meiner Lesvos-News…
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