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BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
Foto: Internet
27.Juli 2011 - Kunst zu vernaschen
Aus dem Holländischen von Gabriele Podzierski
„Mit Essen spielt man nicht“, pflegte mein Vater früher zu mir zu sagen.
In Frankreich bezieht sich diese Regel auf das Brot, wo dieses
Nahrungsmittel heilig ist. Ich habe mich immer daran gehalten und spiele
bis heute nicht mit dem, was auf meinem Teller liegt, aber es gibt doch
noch andere Möglichkeiten, um mit Essen zu spielen.
Unabhängig davon, ob mir eh keine andere Wahl bleibt, esse ich hier in
Griechenland am liebsten, das Gemüse, was die Jahreszeit gerade auf den
Tisch bringt. Und dennoch, ist die Mitte des Sommers erreicht, und es
beschleicht einen das Gefühl, dass die Hitze einen Teil des Gehirns zum
Kochen bringt, ärgere ich mich doch manchmal über das schmale Angebot
des Gemüsehändlers: Tomaten, Gurken, Zucchini, Auberginen, Paprika,
Zwiebeln und Kartoffeln, das ist das Gemüse der Saison. Ach ja, Honig-
und Wassermelone nicht zu vergessen…
Ich
muss zugeben, dass ich es aufgegeben habe, griechisch zu kochen, denn
ehrlich gesagt, habe ich bis heute nicht durchschaut, wie die Griechen
es schaffen, mit den einfachsten Zutaten ein 5-Sterne-Gericht zu
zaubern. Ich habe mich dazu entschieden, mit dem, was ich hier bekomme,
zu spielen, was viel mehr Spaß macht, als gezwungenermaßen eine
griechische Köchin zu werden.
So
bin ich, z.B., ganz verrückt nach Couscous. Zwar bekommt man den
Hauptbestandteil dieses nordafrikanischen Gerichts, diesen zerriebenen
Grieß aus Weizen, Gerste oder Hirse nicht von dieser Insel, aber man
kann ihn bei Alpha-Vita, dem Supermarkt in der Hauptstadt Mytilini,
erwerben, der ihn aus anderen Ländern importiert. Aber aufgepasst beim
Einkauf, denn die Griechen haben das Produkt auch entdeckt, was aber
heißt, sie haben kleine Pastabällchen unter dem Namen Couscous auf den
Markt gebracht, die aber einem Vergleich mit dem echten Grieß nicht
standhalten können. Auch Merguez-Würstchen, die scharf gewürzte
Hackfleisch-Bratwurst (meist Lamm) ist hier nicht zu bekommen, aber
würzt man die lokale selbst gemachten Würstchen mit einer gehörigen
Dosis Paprikapulver, kommen sie dem Original sehr nah. Die weiteren
spezifischen Zutaten für ein Couscous-Gericht sind hier im Sommer leicht
zu kriegen: Tomaten, Kichererbsen, Lammfleisch und Minze.
Ein
weiteres meiner Lieblingsgerichte ist die spanische Paella, und alle
Zutaten – bis auf die
Chorizo-Wurst – stehen zur Verfügung. Bevorzugen Sie die Paella mit
Meeresfrüchten, ist es ratsam bis zum Winter zu warten, wenn diese
fangfrisch aus dem Golf von Kalloni kommen.
Aber auch mit Garnelen aus der Tiefkühltruhe (frische, sind nur im
Herbst und Winter erhältlich), Oktopus und anderem frischen Fisch,
kriegt man schon eine herrliche Paella gezaubert. Der in Griechenland
erhältliche Safran kommt zumeist aus Kozani, der Region in
Nordgriechenland, die als Anbaugebiet der Safrankrokusse bekannt ist.
Auch zur griechischen Küche zählt Reis mit Meeresfrüchten, aber man
macht es sich einfach und köchelt den Reis in dem Sud von Muscheln.
Auch ich experimentiere gerne mit sehr einfachen Gerichten, so fertige
ich aus Feta, Schmelzkäse und einem weiteren Stück Käse (die Sorte
spielt keine Rolle: Ladotiri, Graviera oder ein anderer lokaler Käse)
einen leckeren Aufstrich, den man als leckeren Dip, z.B. zur
Schlangengurke, reichen oder auch als Creme auf gegrillte
Auberginenscheiben streichen kann, die man dann aufrollt und mit einem
Zahnstocher zusammenhält: Ein wundervoller kleiner Imbiss. Sie können
Feta übrigens auch mit Quittengelee, Feigenkompott (s. Lesvos-News vom
4.9.2006) oder ganz einfach mit Honig beträufelt und etwas frischem
Thymian (französisches Rezept für Ziegenkäse) servieren. Italienische
Zucchiniküchlein (geraspelte Zucchini, Ei, Knoblauch und Basilikum) sind
ebenfalls stets eine willkommene Abwechslung.
Die
Griechen würden ihre Nase rümpfen, wenn ich ihnen erzählen würde, dass
ich kürzlich für eine Fischterrine Fisch verwendet habe, der eigentlich
für eine Fischsuppe bestimmt war. Griechen essen nämlich alles so
einfach und frisch, wie möglich, und Fisch wird nicht zerkleinert und
bleibt unversehrt, bis er auf dem Teller landet (außer natürlich der für
die Suppe). Aber bei einer Hitzewelle, wie wir sie derzeit ertragen
müssen, vergeht die Lust auf Fischsuppe und eine Terrine erfrischender.
Apropos Sommerhitze: Was halten Sie von einer leckeren, eiskalten
spanischen Gazpacho (Hauptzutat: Tomaten)? Ich bekomme übrigens ab und
an mal von einem Freund eine sehr geschmackvolle kalte griechische
Yoghurt-Gurkensuppe serviert, und zwar nach einem Rezept von seiner
Mutter aus Kozani. Übrigens, die leckerste kalte Suppe, die derzeit in
Molyvos aufgetischt wird, ist die Karottensuppe im neu eröffneten „Majorani“.
Selten hab ich eine so köstliche Suppe gegessen.
Tja, und was mach man mit dieser Flut von Melonen? Klar, für die
Honigmelone gilt die altbekannte Zubereitung: Schiffchen schneiden und
mit rohem geräuchertem Schinken umwickeln. Aber ein guter Schinken (es
sei denn, er ist importiert) ist hier schwer zu finden. Schmierwurst und
Pasteten sind ebenfalls unbekannt in der Griechischen Küche, und als
einziges Zusatzprodukt zum Fleisch gibt’s Bauernwürste, die zwar hier
auf Lesvos köstlich sind, aber warum stellen sie hier nicht solch
großartig geräucherten Schinken, wie z.B. in Zypern, her?
Zurück zu den Melonen: Schon seit Jahren ist das Überangebot dieser
Frucht, mit dem wir alljährlich konfrontiert werden, ein Thema meiner
Boulevard-News. In denen vom
23.7.2007 (schauen
Sie mal nach) habe ich Ihnen verraten, wie man sie sogar grillen kann,
und jetzt fand ich kürzlich im Internet eine weitere Verwendungsform:
Die
Wassermelonen-Kunst! Es hat mich umgehauen, was ich da zu sehen
bekam. Auch Sie können diese Kunst des Schnitzens erlernen, denn auf
„You Tube“ gibt es selbst Anweisungen, wie Sie vorgehen müssen, wenn Sie
z.B. eine
Rose basteln wollen. Na, und geht’s schief, macht ja nichts,
denn dann essen Sie das Material einfach selbst auf, hihihi…
Es
könnte eine tolle Attraktion für Touristen auf Lesvos sein. Die Insel
hat ja nicht genug Sandstrände, um einen Sandburgen-Wettbewerb ins Leben
zu rufen, noch hat sie das Klima, um Eispaläste als Wettstreitmotto
aufzustellen, aber Wassermelonen zuhauf, aus denen man weit gestreckte
Blumenfelder kreieren könnte. Wenn sie auf
Rhodos 2000 Menschen den Sirtaki tanzen lassen, warum nicht auf
Lesvos 2000 Wassermelonen in ein Kunstwerk verwandeln?
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