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BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
Retsina-Verkostung
27.August 2012 - Das Retsina-Lied
Aus dem Holländischen von Gabriele Podzierski
Jeder kennt die griechische Weinsorte Retsina, über die man sagen kann,
dass man sie entweder liebt oder ablehnt. Diejenigen, die diesen Wein
nicht mögen, vergleichen seinen unverkennbaren Geschmack mit Terpentin,
wozu ich nur sagen kann, dass sie ihn wohl kaum richtig verkostet haben
oder es Jahre her ist, dass sie mal ein Schlückchen davon genommen
haben. Für sie gibt’s eine gute Nachricht: Der Retsina wurde der
Neuzeit angepasst, die billigen offenen Weine mussten griechischen
Qualitätsweinen Platz machen. Retsina hat einen milderen Geschmack
bekommen und ihn zu trinken, ist wieder in.
Seit 2.000 Jahren gibt es bereits diesen Harzwein. Er entstand in der
Zeit, als die Menschen eine Methode suchten, Wein für längere Zeit
haltbar zu machen. Man kam darauf, die porösen Innenseiten der Amphoren
mit dem Harz der Aleppo-Kiefer zu verschließen, mit diesem Material,
mit dem man auch Boote wasserdicht machte. Dass sich das Harzaroma nun
mit dem Wein vermischte, war eine Mär wert, nämlich die, dass der Wein
aus den Tränen von Waldnymphen hergestellt werde.
Die
Griechen waren schon immer ein gewitztes Völkchen, und so erzählt man
sich, dass, als die Römer in ihr Land einfielen und die guten
ungeharzten Weine in Beschlag nahmen, die Einwohner diese mit Harz
versetzten und die Eindringlinge, die nicht wirklich von Retsina
überzeugt waren, ihn mieden. Die gleiche Taktik sollen die Griechen auch
bei der Besetzung durch die deutschen Truppen angewandt haben.
Von
Beginn des letzten Jahrhunderts an bis in die 70er Jahre, waren die
Griechen sehr arm und es wurde massenhaft billiger Wein produziert,
darunter auch Retsina. Als Melina Mercouri von 1967 – 1974 aus Protest
gegen die Militärdiktatur nach Frankreich ins Exil ging, nahm sie dort
einige Schallplatten auf, darunter die LP „Delfini delfinaki“ mit dem
Titel
"Melina Melinaki", ein Lied über ihren Großvater, in dem es
heißt:
„Ich fühlte mich wie eine Königin,
neben ihm sitzend, zwischen den Männern aus Athen,
die
eine Wasserpfeife rauchten und Retsina tranken.“
So
ist der Retsina ein Wein, der in die Musikgeschichte eingegangen ist,
und nicht nur Melina Mercouri hat ihn besungen: Auf YouTube gibt’s
einige Retsinalieder zu finden. Zugegeben, manche klingen, als hätten
die Musiker zu tief ins Resinaglas geschaut, aber wahrscheinlich liegt
das an dem Alter der Aufnahmen. Hier einige Beispiele: „Retsina mou,
Retsina mou“ von
Manolis Fotopoelis und von
Michalis Geliotis, und aus dem Jahre 1937
"Me mia koekla retsina moe" von Orestis Makris Loediana.
Auch das moderne
Restina-Mitsingliedchen von Karsten Hagen Frank erinnert an
einen feucht-fröhlichen Abend mit Freunden, an dem der Retsina auf und
unter der Tafel in Strömen fließt. Wir kannten den Song noch nicht, als
wir unseren Tisch mit verschiedenen Sorten Retsina bestückten, um diese
mit Freunden zu testen. Hätten wir es vorher gehört, hätten wir den
weinseligen Abend sicherlich mit diesem „Säuferlied“ ausklingen lassen…
Die
erste Flasche, die bei dieser Weinprobe geöffnet wurde, war die
wunderschöne bauchige der Marke "Ambelisioes" aus Thessaloniki, die
einen starken aber flüchtigen Harzgeschmack hat, der herrlich auf der
Zunge lag und den wir sofort mit dem, ebenfalls aus Thessaloniki
kommenden „Malamatina“ in Vergleich stellten. Wer kennt ihn nicht, ist
er doch der bekannteste und auf Lesvos meistgetrunkene Retsina. Tja,
und so fand ich sogar ein
Malamatina-Lied, welches bestimmt super ins Ohr geht, nach ein
paar Fläschchen dieses Trunks. Unser Urteil nach der Verkostung dieses
leicht nach Honig schmeckenden Retsinas? Nun, dass er doch eine ziemlich
künstlich-chemische Geschmacksrichtung hat.
Als
nächstes war die große Flasche „Mirina“ an der Reihe, und die
Diskussionen begannen, denn die Herren der Tafelrunde kanzelten diesen
gleich als „Sissy-Wein“ ab, was soviel hieß, dass sie ihn als Frauenwein
abstempelten… Richtig, denn in der Tat, mochten die weiblichen Tester
diesen leicht parfümierten luftigen Retsina von der Insel Limnos.
Danach wurde ein altmodisch anmutender Harzwein aus dem Hause „Kourtaki“
ausgeschenkt, der den stärksten Harzgeschmack offenbarte. Niemand wusste
an diesem Abend diesen ursprünglichen, alten, kräftigen Geschmack zu
schätzen, und so landete das goldene Nass schließlich im Gebüsch.
Jetzt wurde die wunderschöne Flasche eines „ Georgiadis“ aus
Thessaloniki geköpft, den ich nur zu gerne trinke, wenn er in einer
Taverne im Angebot ist, aber meine Freunde bewerteten ihn als zu leicht,
zu flach, mit metallischem Nachgeschmack. Mmhh…, mir schmeckte er gut!
Schlussendlich gab es da noch den sexy Retsina mit dem schwierigen Namen
„Tsakpina“, von der Halbinsel Chalkidiki, leicht zu erkennen an dem
schönsten Etikett: Eine blonde hübsche junge Lady, mit herausforderndem
Blick, auf rot-grün-gelbem Grund (erinnert stark an eine Kopie des
Ouzo-Mini-Mädchen). Tja, und dieser Wein schaffte es wahrhaftig, uns
alle, trotz inzwischen vorgerückter Stunde, zu begeistern, mit seiner
verführerischen leichten, süßen Note.
Fazit: Die alten, stark nach Harz schmeckenden Weine werden heutzutage
fast nicht mehr verkauft, obwohl in den Jahren, als der Retsina populär
war, diese in vielen Tavernen Athens ausschließlich ausgeschenkt wurden.
Ein Teilnehmer unserer Weinprobe konnte sich noch gut an eine Taverne
erinnern, in der mit Nummern versehene große Holzfässer standen, aus
denen man wählen konnte. Die Zahlen gaben wahrscheinlich Auskunft über
den Harzgehalt, je höher sie waren, umso länger lagerte der Wein in den
geharzten Fässern und umso intensiver hat er den Geschmack angenommen.
Heutzutage bevorzugen die Konsumenten doch eher nur einen Hauch von
Harzgeschmack, einen Wein eben, der nicht allzu lang im Fass war
(anzumerken ist, dass man inzwischen das Harz dem Traubentrester zufügt,
woraus der Wein fermentiert wird, so dass es das Nummernsystem
wahrscheinlich gar nicht mehr gibt). Dass Retsina immer noch beliebt
ist, beweist
dieses Filmchen (sorry, wieder geht’s um „Malamatina“).
Tja, es scheint, als drifte der „Malamantina“ ins Abseits, denn bei
unserem Test erreichte er nur Platz 4. Die Auszeichnung „AM LECKERSTEN“
und damit Platz 1 konnte der „Ambelisious“ erzielen, gefolgt vom
schwingenden „Tsakpina“. Da die Damen in der Mehrheit waren, eroberte
der „Sissy-Wein“ Platz 3, der von mir eher auf Platz 4 gesetzte „Georgiadis“
kam auf Platz 5, und der Kourtaki war der Letztplatzierte.
Natürlich gibt’s noch eine Menge Retsina-Sorten in Griechenland, die es
zu testen gilt, aber die meisten Hersteller werden ihren Wein an den
Geschmack der Neuzeit angepasst haben: Milde Retsinaweine, die in der
griechischen Hitze getrunken werden, als eine erfrischende Limonade mit
Alkohol. So lecker, dass sie eines Lieds würdig sind…
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