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BOULEVARD NEWS AUS LESVOS

 

Molyvos im Dunkeln

Abendhimmel in Eftaloú

 

 

4.Januar 2012 - Molyvos im Dunkeln

Aus dem Holländischen von Gabriele Podzierski 

 

Für viele Menschen bedeutet der Jahreswechsel, mit Hoffnung und guten Vorsätzen neu durchzustarten, und auch für die Natur heißt es, dass die dunklen Tage vorbei sind, die Sonne wieder höher klettert und es länger hell bleibt.

 

Schaut man jedoch auf Griechenland, so lässt sich unschwer erkennen, dass diese Nation noch lange nicht die dunkle Zeit überwunden hat. Nehmen wir nur einmal Molyvos: In diesem mittelalterlichen Dorf war es im Dezember sehr dunkel, denn es war kein Geld für die sonst übliche weihnachtliche Beleuchtung vorhanden, und das im krassen Gegensatz zum Nachbarort Pétra, welcher ja seit 1 Jahr nun  zu derselben Gemeinde gehört. Straßen und Gassen waren in Dunkelheit gehüllt, und nur dank einzelner Bewohner, die ihre Fenster leuchtend schmückten, war zu erkennen, dass der Dezember ja eigentlich ein festlicher Monat ist. Selbst die große Krippe, die in den letzten Jahren am Parkplatz an der Straße Richtung Hafen liebevoll aufgebaut war, hat und wird man wohl die nächsten beiden Jahre schmerzlich vermissen. Kann es wirklich sein, dass es selbst zuviel gekostet hätte, sie aus ihrem Versteck zu holen?

 

Ja, es wird gespart in Molyvos, und das merkt ein jeder. So wird z.B. die Burg nach 24 Uhr nicht mehr angestrahlt, was ja nun eigentlich nicht so tragisch ist, denn in dieser Jahreszeit sind nicht wirklich viele Menschen um diese Uhrzeit unterwegs, und das Dorf liegt wie ausgestorben dar, aber das selbst in der Silvesternacht dies Bauwerk um Mitternacht nicht zu sehen war, ist, gelinde gesagt, eine Blamage! Selbst ein, sei es auch noch so bescheidenes Silvesterfeuerwerk im Ort fiel der Sparsamkeit zum Opfer, die einzigen Lichter in der Dunkelheit waren eine Anzahl farbenprächtiger Leuchtraketen am fernen Himmel, mit denen die Türkei das Jahr 2012 begrüßte.

 

In der jetzigen Krisenlage brodelt natürlich die Gerüchteküche, so munkelt man, dass, seit Lesvos nur noch eine einzige Gemeinde ist, das gesamte Geld in Mytilini hängen bleibt. Untermauert wurde dies dadurch, dass Mytilini im Dezember im festlichen Lichterglanz nur so erstrahlte. Naja, und wenn dann finanzielle Mittel wirklich mal den Weg aus der Hauptstadt finden, sagt man, das sie auf der Hauptverkehrsstraße nach Kalloni stecken bleiben, die ja eh seit 2 Jahren die Frage unbeantwortet lässt, wie sie demnächst aussehen wird. Inzwischen ist ein großer Teil zwar fertig gestellt, aber  immer noch weisen hunderte Pfeile abwechselnd mal nach links und mal nach rechts, als würde man einen riesigen Verkehrsübungsplatz befahren, um sich für die Fahrprüfung fit zu machen. Meine Befürchtung ist, wenn denn dann mal die gesamte Strecke abgeräumt und frei ist, dass dann die neue Fahrbahn schon wieder so alt ist, dass wieder erneut Ausbesserungsarbeiten anstehen werden.

 

Nicht allein die kommunalen Gelder werden nun unter den ehemals 13 Inselgemeinden anders aufgeteilt, auch Telefongesellschaften sowie städtische Ämter haben sich nach Mytilini verzogen, und Außenbüros haben inzwischen geschlossen, was bedeutet, wann immer man ein Anliegen hat, so klein  es auch sein mag, muss man sich auf den Weg in die Hauptstadt machen, was ja nicht immer für Menschen, die weit entfernt wohnen, jederzeit möglich ist, denn vom fernen Norden und Süden der Insel, ist es jeweils eine Fahrtstrecke von 1-2 Stunden. Anders sieht es aus, wenn man einen Ferrari sein eigen nennen darf und Spaß dran hat Gas zu geben, aber wer kann das schon von sich behaupten, und so ist es nun einmal Fakt, dass Behördengänge einen halben Tag kosten. Tja, wenn es nur damit getan wäre, aber das Schlimmste kommt noch: Der Großteil der Beamten hier auf der Insel ist noch von der alten Garde, d.h. sie haben keine Ahnung, wie man auf kundenfreundliche Art und Weise, Papiere abstempeln, Genehmigungen erteilen oder Anträge ausfüllen muss. „Kommen Sie morgen wieder“ ist der Satz, der am häufigsten fällt, gerade so, als würde man um die Ecke wohnen, und zur Folge hat, dass manch ein unmotorisierter Inselbewohner einen Nachbarn oder Freund erneut bitten muss, ihn „mal eben“ nach Mytilini zu fahren. Ist man also nicht damit gesegnet, direkt in Mytilini zu wohnen, muss man schon einen langen Atem haben, um Lizenzen, Internetanschluß, etc. zu beantragen, und empfehlenswert ist es, vorher  ein Antiaggressionstraining zu besuchen, mit dem Ziel, dem gegenübersitzenden Beamten nicht vor lauter Verzweiflung an die Kehle zu gehen.

 

Es scheint, als habe man den Rest der Insel zurück ins dunkle Mittelalter verbannt, und so viel ich weiß, war es allein das Städtchen Plomari, welches im letzten Jahr gegen die alberne Maßnahme ernsthaft protestiert hat, so viele Gemeinden einer relativ großen Insel zu einer einzigen zusammenzuschmelzen. Sie wissen ja vielleicht, dass die Insel einst in verschiedene Stadtstaaten aufgeteilt war und das verfeindete Molyvos und Mytilini sich blutige Gefechte lieferten. Sind wir auf dem Weg zurück in diese Zeit?

 

Nun aber genug von dunklen Zeiten, denn die Sonne scheint wie eh und je, und dank ihrer Strahlen sehen wir Licht. In der Antike dachten die Griechen noch, dass die Menschen selbst das Licht ausstrahlen, dass es aus ihren Augen kam…Erst so um 1000 nach Christus war es der arabische Gelehrte Abu Ali al Hasan ibn al-Haitam (latinisiert: Alhazen), der den Aufbau des Auges analysierte, die Bedeutung der Linse im Auge erkannte und die Sehstrahlentheorie widerlegte.  Europa pickte seine Schriften jedoch erst viel später auf, und so dauerte es noch bis zum Ende des 17. Jahrhunderts, bis der deutsche Astronom und Wissenschaftler Johannes Kepler darlegen konnte, wie das Auge tatsächlich funktioniert.

 

Die Augen, ja, die braucht man hier in Griechenland, dem Land der Götter, bekannt für sein wundervolles Licht. Als der französische Maler Marc Chagall seinerzeit den Auftrag bekam, den auf Lesvos spielenden Hirtenroman „Daphne und Chloe“ zu bebildern, reiste er nach Griechenland, wo er, dank dieses herrlichen Lichts, ein ganze Palette neuer Farben entdeckte. Und dieses Licht gibt es nicht nur im Sommer, denn auch im Winter kommt es selten vor, dass sich die Sonne nicht blicken lässt, und so vergeht kaum ein Tag, an dem sie nicht ihre Strahlen in faszinierender Weise auf die Landschaft wirft.  Der niedrige Stand der Wintersonne verursacht selbst mehr Farben als im Sommer, und wenn sich Wolken längst des Himmels schieben, ist es noch ein größeres Fest: Am pechschwarzen Horizont ziehen brutal weiße Wolken entlang und leuchten auf, manche tragen orange gefärbte Ränder, die anderen ziert sogar ein Lila, das Meer ist eine Zauberkugel, die sich von einem tiefen Blau in alle Grauschattierungen wandelt, und wenn die bunten Wolken sich darin spiegeln, setzen sich die Regenbogenfarben auf dem Wasser der Bewunderung frei. Die spektakulären Sonnenuntergänge, wie sie uns hier im Inselnorden geschenkt werden, können nicht nach Mytilini verlagert werden, noch können sie aufgrund von Sparmaßnahmen gestrichen werden…

 

Ein sehr gutes 2012!