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BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
Plakat für das griechische Brevet
4.Juli 2012 - "Tour de Lesvos"
Aus dem Holländischen von Gabriele Podzierski
Das
neueste Fortbewegungsmittel in Griechenland ist, na? Jawohl: Das
Fahrrad! Nun ja, zugegeben, es ist nicht wirklich so geeignet für dieses
Land, wie es Esel und Auto sind, und schon gar nicht für das bergige
Lesvos, aber Fakt ist nun mal unumstritten, dass das Radfahren rasant an
Popularität gewinnt.
Das
allererste Fahrrad war eine hölzerne Laufmaschine, ohne Pedale, auf
welcher der Fahrer saß und sich mit den Füßen vom Boden abstieß. 1817
hat der Karlsruher Freiherr Karl Drais solch ein Laufrad erfunden. 1865
gelang es in Frankreich einem Vater mit seinem Sohn diese Erfindung
wesentlich zu verbessern: Ihr Vélocipède (franz.: „Schnellfuß“) war
ausgerüstet mit einem eisernen Rahmen, Eisenrädern und Pedalen. Bereits
3 Jahre später erschien ein kettenbetriebenes Fahrrad auf dem Markt,
und als 20 Jahre später die Reifen mit Gummi ummantelt wurden, sahen die
Zweiräder fast schon so aus, wie wir sie heute kennen. Tja, und
heutzutage, ein Jahrhundert später, präsentiert uns die Technik sog.
E-Bikes oder Elektrofahrräder, ausgestattet mit einem kleinen Motor, der
bei einer Steigung eingeschaltet werden kann: Die idealen
Fortbewegungsmittel für unsere Insel!
Na,
die richtigen Radsportfans rümpfen darüber natürlich die Nase, und für
sie kommt so eine Unterstützung nicht infrage, für sie ist es
selbstverständlich, ohne elektrische Hilfe schweißtreibende Steigungen
strampelnd zu erklimmen, ganz nach dem Vorbild der „Tour de France“, bei
der ja gerade die Gipfelfahrten die Höhepunkte sind.
Radfahren in dem Berg-und-Tal-Land Hellas, keine schlechte Idee, und so
sprießen Radsportclubs in der letzten Zeit wie Pilze aus dem Boden.
Wahrscheinlich nahm die Radsportgeschichte 2008 in Griechenland
ernsthafte Formen an, als Kostas Simelidis
(Der Mann, der das Fahrrad nach Griechenland brachte) den Verein
„Bycicle Respect“ gründete und dafür sorgte, dass für
Verkehrsteilnehmer, vor allem in Thessaloniki, Radfahrer keine
sensationelle Sehenswürdigkeiten mehr darstellten. Die Griechen hatten
in der Tat keine gute Meinung über Zweiräder, denn sie hielten sie für
viel zu gefährlich und waren nur was für Leute, die sich kein Auto
leisten konnten. Jetzt, wo immer mehr Fahrradfahrer im Straßenbild
erscheinen, gewöhnen sie sich daran und müssen erkennen, dass Radfahren
derzeit „in“ ist in ihrem Land.
Sah
man früher nur ab und an einen einsamen Touristen, der sich aus
idealistischen Gründen gegen einen Mietwagen entschieden hatte, sich
auf seinem hoch bepackten Gefährt über die Insel quälen, so erscheinen
jetzt immer häufiger Rennradfahrer in bunten Trikots, die mit Freuden
die Hügel, Berge und scharfen Kurven der Insel meistern. Zu beobachten
ist auch, dass immer mehr Fahrräder an Touristen vermietet werden, und
dies vor allem in der Region um Kalloni, die flach daliegt und sich
somit hervorragend zum Radfahren eignet.
Angesichts der Krise wäre es doch nur zu ideal, wenn viele Griechen sich
für das kostengünstigere Fortbewegungsmittel entscheiden würden, zumal
sie darüber hinaus ihren Beitrag zum Umweltschutz leisten könnten und es
die Lösung hinsichtlich Verkehrsstaus wäre.
Um
die Griechen an den neuen Status des Fahrrads zu gewöhnen, werden immer
häufiger Radeltage in großen Städten organisiert, wo ein jeder der einen
Drahtesel hat, diesen aus dem Schuppen holt, um damit an einer
Prozession durch die Straßen teilzunehmen.
Ein
solcher Tag fand am 13. Mai auch in Mytilini statt: Hunderte radelten
gemütlich durch die Hauptstadt der Insel, und man bekam wahrhaftig den
Eindruck, dass ein jeder Inselbewohner ein Fahrrad besitzt.
Die
Tour, die für den Montag, den 9. Juli, angesetzt ist, wird
wahrscheinlich nicht so viele Teilnehmer anziehen, denn die zu
bewältigende Strecke schließt nahezu die gesamte Insel ein.
„Brevet
Lesvos 2012“ (Brevet bezeichnet im Radsport eine Langstreckenfahrt) ist
ein Abschnitt von Touren, die über ganz Griechenland verteilt
organisiert werden. Am Samstag, 7. Juli, findet diese Veranstaltung auf
Chios statt, wo es auch über einen großen Teil der Insel geht, und wir
wollen nur hoffen, dass die Mitstreiter danach pünktlich und fit auf
Lesvos für die nächste Herausforderung eintreffen: 217,5 Kilometer und
diese mit vielen beschwerlichen Gipfelfahrten!
Montagmorgen, 8 Uhr, fällt der Startschuss in Molyvos und dann geht’s
via Vafios, Argenos und Mandamados nach Mytilini. Von dort aus führt die
Route entlang des Golfs von Gera nach Plomari, über die schöne Straße
Melinda-Ambeliko-Kalloni, und dann über die Berge zurück zum Ausgangs-
und Zielort Molyvos. Allein die kahlen Gipfel des Inselwestens bleiben
unbezwungen. Organisiert wird die Tour durch
"PEPA"
(Ein griechischer Rad fahrender Veteranenclub) und unterliegt strikt den
Regeln von
l’Audaux Parisien.
Lassen Sie uns hoffen, dass alle anderen Verkehrsteilnehmer vorgewarnt
sind und an diesem Tag auch die Esel, die es gewohnt sind, ihre Siesta
auf der Straße abzuhalten, einen anderen Ruheplatz wählen. Die Straßen,
Wege und Pfade von Lesvos sind nun mal für alle da, auch für die
Vierbeiner und nun für Zweiräder…
Ich
wünsche den Organisatoren viel Erfolg für diese Veranstaltung und hoffe,
dass sie sich zu einem internationalen Radsport-Event entwickelt. All
die Radsportler, die inzwischen von den Ardennen in Belgien und
Frankreichs Straßen gelangweilt sind, mögen hier in diesem Lande, mit
seiner wundervollen Natur, den fantastischen Aussichten und
herausfordernden Berggipfeln eine großartige Alternative finden!
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