Molyvos (Mithimna)

Lesvos

Home

Home
Lesvos-News 2012

23.Dezember 2012
27.August 2012
1.August 2012
15.Juli 2012
4.Juli 2012
1.Juni 2012
21.Mai 2012
30.März 2012
13.März 2012
13.Februar 2012
31.Januar 2012
17.Januar 2012
11.Januar 2012
4.Januar 2012

BOULEVARD NEWS AUS LESVOS

 

Marlboro-See

Marlboro-See (Foto: Smitaki)

 

31.Januar 2012 - Champignons gefüllt mit Mariendisteln

Aus dem Holländischen von Gabriele Podzierski 

 

Seit einigen Wochen hat ein richtiger Winter auf Lesvos seinen Einzug gehalten. Bereits drei- oder viermal sah die Spitze des Lepetimnos schon wie gezuckert aus, und Agiassos hat bereits eine gehörige Ladung Schnee abbekommen, ebenso, wie Megalochori und andere Gebiete in der Mitte und im Westen der Insel. Selbst hier nach Eftaloú, das so gar nicht dafür bekannt ist, weißbedeckt dazuliegen, kam der Schnee an einem frühen Morgen. Derzeit rast ein strenger sibirischer Wind über das Eiland, die Temperaturen liegen gefühlt so um die -10 Grad, während die Quecksilberanzeige „nur“ um den Nullpunkt steht.

 

Beim Wachwerden heute morgen erblickte ich eine rauchende See. Im ersten Winter, den ich hier auf Lesvos verbrachte und dieses Phänomen erleben durfte, gab ich ihm den Namen „Marlboro-See“. Diese Rauchfahnen auf dem Meeresspiegel entstehen durch das Zusammentreffen einer eiskalten Luft und doch noch relativ warmem Wasser. Da ich seinerzeit der griechischen Sprache noch nicht so mächtig war, um diese Naturerscheinung den Nachbarn zu erklären, sagte ich ihnen einfach, dass das Meer gerade Marlboros rauchen würde.

 

Derweil das Meer sich eine Zigarette nach der anderen ansteckt und ich mich gegen die Eiseskälte warm einpacke (ich muss ja schließlich mit den Hunden raus), geht aber auch der Frühling in die Offensive. Tja, und das ist es, was mich am griechischen Inselwinter so begeistert: Es ist nicht nur allein Winter, sondern immer auch ein bisschen Frühling.

 

Der Anlauf des Winters war trocken, und noch immer ist nicht genug Regen gefallen, um all den durstigen Pflänzchen, die sich im Erdreich verstecken, genug Energie zu geben, dass sie sich empor wühlen können. So kamen die Anemonen, die in vergangenen Jahren bereits im Dezember ihre Köpfe in die Luft streckten, sehr zögerlich zur Blüte. Erst letzte Woche, als eine Ladung Wasser auf sie nieder prasselte, beschlossen sie massiv, ihre Farbenpracht in der winterlichen Landschaft zu verbreiten.

 

Die Trockenheit brachte ebenfalls mit sich, dass wir kaum Pilze hatten, ja, selbst die Wiesenchampignons, die normalerweise dem Winterwetter trotzen, waren kaum zu finden, und erst jetzt, nach dem Regen der letzten Woche, schossen sie glücklich aus dem Boden und ich konnte endlich ein Säckchen voll ernten.

 

Auch die Mandelblüten sind gegen das kalte Wetter angetreten und entfalten kühn ihre zarten rosigen Blätter im eisigen Wind. Ich hoffe, dass ihre Fruchtknoten, die sie in ihren Blüten verborgen halten, frostbeständig sind, denn  die Wettervorhersage kündigt für die nächsten Tage an, dass die Temperaturen weit unter Null Grad fallen werden.

 

Mitten in die eisige Winterlandschaft hinein, versprühen Orangen-, Zitronen- und Mandarinenbäume die leuchtenden Farben ihrer Früchte, die jetzt für die Ernte reif sind, um uns Menschen mit genügend schützendem Vitamin C  gegen die anhaltende Kälte zu versorgen.

 

Auch das Wildgemüse (Chorta) hat sich zu unserem Nutzen an die Erdoberfläche gemacht. Die jungen Triebe der Brennnesseln eignen sich vorzüglich, um sie in einem Omelett zu verarbeiten, und vorige Woche habe ich noch mehr stacheliges Kraut gepflückt, um es zu essen: Das frische Blattgrün der Mariendistel.

 

Die Mariendistel ist sehr gesund! Sie stärkt Herz und Kreislauf, und ihr Wirkstoffkomplex Silibinin soll auf den Gallenfluss und somit auf die Verdauung anregend wirken, ja, selbst die Leber schützen, wenn man mal gut zur Flasche greift. Den Namen verdankt die Pflanze ihren weißen Flecken und Adern der Blätter, welche einer alten Legende nach von der Muttermilch der Jungfrau Maria stammen, die vergossen wurde, als sie mit dem Jesuskind vor den Römern floh.

 

Mariendisteln erreichen im Sommer bis zu 2 Meter Höhe. Ihre großen grün-weiß marmorierten Blätter sind recht dornig  gezähnt, und selbst die anfänglichen Rosetten, woraus der Stängel mit den lila gefärbten Korbblütenständen, auf die vor allem Schmetterlinge ganz jeck sind, wachsen werden,  können richtig bös stechen. So war es für mich von vornherein klar, dass es nicht gerade eine schöne Beschäftigung wird, diese Disteln fürs Essen zu sammeln, aber nach und nach kriegt man doch ein Händchen dafür, den Stacheln zu entgehen. Tja, aber dann kommt mit dem Säubern die nächste Herausforderung. Die Rosetten liegen nahezu platt auf dem Boden, so dass die geschnittenen Pflanzen mit ziemlich viel Erde behaftet sind und eine aufwendige Vorwäsche nötig haben, bevor man sie zum Kochen ins heiße Wasserbad gibt. Fazit: Handschuhe anziehen!  Im Internet las ich ein Rezept, welches vorgab, die Dornen abzuknipsen, was keine schöne Aussicht war, denn die kleinen Rosetten haben eine Menge Blätter, mit noch mehr Stacheln, und um sie zu einer Mahlzeit zu bereiten, muss man schon recht viele davon haben. Mir stand nicht wirklich nicht der Sinn danach, stundenlang biestige Widersacher zu entfernen, denn das Pflücken war schon eine schwierige und zeitraubende Aufgabe. Glücklicherweise kann ich im Nachhinein nur sagen, dass die Person, die das Rezept aufgeschrieben hat, niemals wirklich Mariendisteln zubereitet hat, denn die Dornen wurden durch das Kochen streichelzart und glitten weich, wie Butter,  die Kehle hinunter.

 

Nach der aufregenden Vor- und Zubereitung der Disteln, entfernte ich von einigen großen Champignons (die Wiesenchampignons waren zu klein, um sie zu füllen) die Stiele, hackte diese fein und ließ sie in etwas Olivenöl und Speck anbraten. Auch die Hütchen fügte ich kurz bei, bis sie etwas eingegangen waren, nahm sie dann heraus und stellte sie beiseite. Dafür kamen jetzt die fein geschnittenen Mariendistelblätter zu Pilzstiele und Speck. Alles ließ ich noch einmal durchbrutzeln  und würzte mit Pfeffer, Salz, Knoblauch und Thymian. Dieses Gemisch füllte ich dann in die Pilzhüte, und voilà: „Champignons mit Mariendistel“ – eine herrliche Beilage oder ein leckeres Häppchen zum Ouzo und mit Sicherheit ein Muss, wenn es nicht bei einem bleiben soll.

 

Na, und nun sehen Sie, dass der Griechische Winter nicht nur allein Kälte im Angebot hat…