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BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
Sumak-Urwald auf Lesvos
15.September 2009 - Berichte aus dem Urwald von Lesvos
Aus
dem Holländischen/Englischen von Gabriele Podzierski
Seit letztem Monat gibt es einen neuen,
regelmäßig erscheinenden, Blog über die Insel Lesvos. Nach längerem
Zögern, hat mein Freund Jan van Lent nun auch zur Feder gegriffen (naja,
er hat sich über seine Computer-Tastatur gebeugt). Auf seinen
Spaziergängen mit Touristen zeigt er nicht nur was hier rund um Molyvos
so grünt und blüht, sondern weiß auch unzählige Geschichten und
Wissenswertes über die Pflanzenwelt und das Leben auf Lesvos zu
erzählen.
In seinem Erstlingswerk, dem
Pflanzenbüchlein
“Mit
anderen Augen“ findet man von diesen unterhaltenden und
interessanten Erzählungen nichts, und bislang profitierten nur die
Menschen davon, die einen Platz in einer der von ihm geführten
Exkursionen buchen. Tja, und nun ändert sich das, denn ich habe ihn
schlussendlich doch dazu überreden können, sein botanisches Wissen mit
seinen Erlebnissen hier auf Lesvos zu kombinieren, schriftlich
festzuhalten und ins Netz zu stellen.
Seit Jan auf Lesvos wohnt, gilt sein
Interesse allen auf unserem Eiland wild wachsenden Pflanzen, wovon es
einige gibt, nämlich so um die 1.450 verschiedene, und so macht Jan sich
– wenn es geht, am liebsten täglich – auf, um eine jede davon irgendwann
zu finden, zu fotografieren und zu katalogisieren. Was er sich da
vorgenommen hat, können diejenigen, die Lesvos kennen, beurteilen: Die
Insel ist nicht nur 1.632 km2 groß und bietet 320
Küstenkilometer, sondern ist geprägt von verschiedensten
Landschaftsbildern, wie z.B. Berghängen und urwaldartigen Tälern, die
über und über mit unzähligen Pflanzen dschungelartig bewachsen sind.
Nimmt man das Hobby Pflanzenkunde ernst,
so ist es nicht nur die Natur, die es zu durchforsten gilt, sondern auch
hunderte von Büchern und Artikeln, die Biologen bereits verfasst und
veröffentlicht haben, denn diese geben, neben der Beschreibung der
einzelnen Pflanzen, auch Auskunft über Standort, Blütezeit und andere
charakteristische Merkmale, damit man mit diesen Angaben bestimmen kann,
welch Gewächs man denn da überhaupt aufgespürt hat.
In diesen Nachschlagewerken ist dann auch
nachzulesen, wie das jeweilige Kraut kulinarisch und/oder medizinisch zu
nutzen ist, denn die meisten Pflanzen haben mehr drauf, als nur
wunderhübsch in der Natur zu stehen. Tja, und das, was sie sonst noch so
für Eigenschaften haben, sind die Impulse, die Jan für seine Geschichten
braucht, wie z.B, dass sie giftig sind, köstlich schmeckende Blüten
haben oder bizarr geformte Früchte, schon in der Mythologie erwähnt
sind, etc.
Eine Reise durch die Pflanzenwelt ist
ebenso faszinierend, wie eine Reise über Lesvos. Beeindruckt die Insel
vor allem im Westen mit kargen, von Schluchten zerrissenen Felshängen,
so ist der Rest mit Oliven und Pinien bedeckt, in den Falten der Berge
verstecken sich mächtige Platanen, ausgestreckte Kastanienwälder
überraschen manch einen Besucher, Orangen- und Zitronenbäume sind hier
beheimatet, und auch die ursprüngliche Eiche beherbergt die Insel. Tja,
und unter all diesen Bäumen sprießen die unterschiedlichsten Pflanzen.
Für Jan ist es mittlerweile kein Problem
mehr, jeden Baum und jedes Kraut mit seinem lateinischen Namen
anzureden. Ich sagte jetzt bewusst nur Kraut und nicht Unkraut, ein
Wort, dass Jan und ich persönlich nicht mögen, denn es gibt kein Unkraut
hier auf der Insel, da alles was aus der Erde sprießt, selbst das
kleinste Blättlein seine Funktion im Leben der Natur hat.
Uninformierte Touristen aus den
Niederlanden würden jedoch sagen, dass die Griechen „Unkraut“ essen,
wenn sie beobachten würden, wie man hier „Chorta“ verschlingt. Dieses
Wort steht für den Sammelbegriff „Wildgemüse“, ein eher unbekanntes
Phänomen in den Niederlanden, wo selbst der Löwenzahn als Unkraut
abgetan wird, obwohl dieser, als Salat zubereitet, nicht nur
wohlschmeckend, sondern dazu noch sehr gesund ist. Fakt ist doch zudem,
dass die kultivierten Gemüsesorten doch allesamt von Wildpflanzen
abstammen.
Nehmen wir z.B. die Tomate, die einst in
Südamerika als eine gelbe wilde Beere angesehen wurde. Von den Azteken
bekam sie den Namen „Xitomatl“. So ganz zweifelsfrei haben die Gelehrten
die Frage, mit wem die Frucht letztendlich nach Europa kam, noch nicht
geklärt. Haben wir es Kolumbus oder dem spanischen Eroberer Cortez zu
verdanken? Fest steht jedoch, dass die Tomate erstmalig im Jahr 1544 von
einem italienischen Botaniker erwähnt wird, da hieß sie jedoch noch
„Goldener Apfel“. Wie sie dann zu ihrer roten Farbe kam und an Größe
gewann, weiß ich nicht sicher zu berichten.
In der griechischen Mythologie ist von
der Tomate noch nicht die Rede, da sie erst in der byzantinischen
Periode im Land Einzug hielt, als die Götter im Land nichts mehr zu
sagen hatten. Von da an jedoch eroberte die rote Frucht die Kochtöpfe
der griechischen Hausfrau im Fluge und ist jetzt überhaupt nicht mehr
wegzudenken. Ich habe ein griechisches Kochbuch, dass zwar nicht so
großartig ist, aber bis zu 90% Rezepte mit Tomaten enthält, wie z.B. den
Choratiki (den berühmten griechischen Bauernsalat), Tomátes jemistés
(mit Reis und Hackfleisch gefüllte Tomaten), Garides saganaki (Garnelen
in Tomatensauce), Sutzukákia (Hackfleischbällchen in Tomatensauce).
Daneben tauchen auch einige interessante Gerichte auf, wie
Tomaten-Mousse und Tomatokeftedes, aber dafür gehen Sie mal auf die
Dschungelseite von Jan und lesen
“Eine
bittere Pille“
Wenn ich von den unter der Sonne
Griechenlands gereiften Tomaten schwärme, so haben diese Liebesäpfel
nichts mit den wässrigen Exemplaren aus Holland zu tun. Aber trotzdem,
sie mögen noch so phantastisch schmecken, im Sommer kommt eine Zeit, wo
ich nur noch denke: Nein, danke, weil ich sie einfach nicht mehr sehen
kann. Dann sehne ich mich nach grünem Blattsalat, geraspelten Karotten
und Weißkohl. Jan bzw. sein Körper reagiert in diesem Jahr plötzlich
noch anders auf dieses Überangebot, nämlich allergisch. Nun hat er sich
gegen den Ausschlag, den er neuerdings von Tomaten bekommt, sein eigenes
Sälbchen aus natürlichen Ingredienzien gemixt. Ich denke schon, dass er
demnächst in seinem unterhaltsamen und lehrreichen Blog über die
Pflanzenwelt der Insel
„Nachrichten aus dem Dschungel von Lesvos“ darüber
erzählen wird.
Copyright ©Julie Smit 2009 |