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BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
Heide auf Lesvos
7.Oktober 2009 - Bericht aus der Lesvos-Heide
Aus
dem Holländischen/Englischen von Gabriele Podzierski
Aristaios (lat. Aristaeus) war in der griechischen Mythologie der Sohn
des Apollon und der Nymphe Kyrene. Er wurde verehrt als der Beschützer
der Jäger, Hirten und Herden und galt als Erfinder der Bienenzucht und
des Olivenanbaus. Er brachte den Menschen bei, ihre Felder zu bestellen,
Honig und Käse herzustellen und den Ölbaum zu nutzen. Doch neben all
diesen guten Taten, war er auch dem schönen Geschlecht sehr zugeneigt,
und so fiel sein Blick auf Eurydike, die Frau des Musikers Orpheus. Als
diese dann eines Tages vor seinen Zudringlichkeiten floh, trat sie auf
eine Schlange und starb an deren tödlichen Biss. Orpheus Schmerz über
den Verlust der toten Gattin, ließ die Nymphen erzürnen, die daraufhin
dafür sorgten, dass all die Bienen des Übeltäters starben. Aristaios,
ein echter Grieche, wandte sich in seiner Verzweiflung an seine Mutter,
die ihm verriet, wie er aus geschlachtetem Vieh neue Bienen erzeugen und
auch die Nymphen besänftigen konnte. Als er nun Stiere und Rinder als
Opfer darbrachte, kamen aus deren Kadavern neue Bienenschwärme zum
Vorschein, er konnte seinen Bienenstock wieder aufbauen und die Menschen
die Imkerei lehren.
Auch derzeit wieder, verschwinden ganze Völker von Honigbienen auf
rätselhafte Art und Weise. Stellt sich die Frage, ob irgendein Gott
wieder einmal sauer ist, auf das was die Menschheit so anstellt... Die
Bienenzüchter sprechen inzwischen von einer Krise, eine Erklärung dafür
gibt es nicht, und Wissenschaftler verwenden für dieses Phänomen
inzwischen die Bezeichnung
“Colony Collapse Disorder“ (CCD). Tja, es ist schon eine
beunruhigende Situation, denn die Bienen sind ja nicht nur für die
Honigproduktion zuständig, sondern auch für die Bestäubung der
Kulturpflanzen, ohne die es ja gar keine Früchte, Getreide, etc. gäbe.
Nachdem in Nordamerika im Jahre 2006 das mysteriöse Verschwinden von
Millionen und Abermillionen Bienen festgestellt wurde, sind inzwischen
die Hälfte aller Bundesstaaten, Teile Kanadas und auch europäische
Länder, wie Spanien, Belgien, Deutschland, die Niederlande und auch
Griechenland betroffen, wo sich von einem auf den anderen Tag ganze
Bienenvölker (ca. 20.000 – 60.000 Tiere) in Luft auflösen.
Biologen rätseln über die Gründe des Massensterbens – inzwischen spricht
man in den USA von einer 2-stelligen Milliardenhöhe. Die Theorien
reichen von Milbenbefall über Seuchen bis hin zur schädlichen
Mobilfunk-Bestrahlung.
Auch Lesvos steht voll mit Sendemasten für TV, Radio, Telefon und all
das, was man in der heutigen Zeit so zum Leben braucht. Auf jedem hohen
Gipfel findet man inzwischen, ja, man kann es wirklich sagen, einen Wald
von Masten, und Lesvos ist voll von unzähligen Bienenkästen, die
aneinandergereiht eine kilometerlange Linie bilden würden, da die Imker
der Insel wohl einen Eintrag im Guinnessbuch der Rekorde anstreben.
Regelmäßig werden die weißen und blauen Kisten umgesetzt: Im Frühling
stehen sie in den Blumenwiesen, und im späteren Jahr haben sie ihren
Platz in den Pinienwäldern.
Die
Flugweite der Arbeiterin beträgt 1-2 km, und sie fliegt täglich 7 bis 15
mal aus. Für die Füllung der Honigblase ist der Besuch von 15 – 100
Blüten erforderlich. Für die Erzeugung von 1 kg Honig sind 3 kg Nektar
zu sammeln, was 60.000 Honigblasenfüllungen entspricht = einer
Flugstrecke von 40.000 km = einer Erdumkreisung! Das Insekt produziert
in seinem Leben jedoch nur 1/12-Teelöffel Honig, teilt sich ihren
Stockgenossen durch den Tanz mit und ist in der Regel nicht aggressiv.
Fühlen Bienen sich in ihrem Stock bedroht, können sie aber doch zum
Angriff übergehen. Aber was ist denn für sie eine Bedrohung? Ich kann
Ihnen erzählen, dass harmlose Spaziergänger auf Lesvos ihren Weg vorbei
an den summenden Kästen mit zahlreichen Stichen, Schmerzen,
Krankenhausbesuchen und einer Reihe von Injektionen bezahlen mussten.
Also, ich geh nicht einmal mehr in die Nähe der Kisten, schon gar nicht,
wenn sie dicht an einem Weg aufgestellt sind, den kaum jemand nutzt. Ich
weiß doch nicht, ob die Bienen wissen, dass ich nicht Pu der Bär, auf
der Suche nach Honig, bin...
Ungeachtet dessen, ist es zu dieser Jahreszeit sehr angenehm, durch
Pinienwälder zu wandeln. Die Bienen transportieren derzeit nicht nur
ihre Erträge aus den Wäldern, sondern auch aus der jetzt blühenden Heide
nachhause. Vor allem zwischen dem Olympos und der Straße Kaloni-Mytilini
sind die Berge bedeckt mit ausgestreckten violettfarbenen Heidefeldern,
die herrlich leuchtend und glänzend zwischen den saftig grünen
Nadelbäumen hervorlugen, die der Wind zärtlich umspielt. Alles
vollendend liegt der süße Duft von Honig in der Luft und das
charakteristische Summen der Bienen erfüllt die Stille. Der Ton entsteht
durch Luftschwingungen, die von den Flügeln erzeugt werden, denn
unvorstellbare 11.400 Male schlägt der Sumsemann in der Minute damit.
Neben Ouzo, Olivenöl und Schafskäse ist der Honig ebenfalls ein
Exportschlager der Insel. In den Kooperativen wird der Honig gesammelt
und unter der Marke „Lesvos-Honig“ verkauft, dann gibt es auch lokale
Anbieter, wie Stipsi oder Karini, und die Familie Kamperos in Skalochori,
mit ihrem seit 2007 geöffneten Honigbetrieb
“Melostagma“.
Neben dem Honig, haben sie auch noch mehr Gesundheit aus dem Bienenstock
im Sortiment, nämlich Pollen, Propolis (Kitharz von Bienen hergestellt,
um den Bienenstock abzudichten) und Gelee Royal (der Futtersaft, mit dem
die Honigbiene ihre Königin aufzieht).
Nachdem wir einige Zeit durch die Heide gestromert sind und ich über die
vielen gesunden Produkte unserer Insel nachdachte, habe ich mir ganz
fest vorgenommen, der Familie Kamperos einen Besuch abzustatten. („Melastogma-Honig“
bekommen Sie übrigens auch in der Kooperative am Ortseingang Molyvos).
Im
Internet gibt’s
ein interessantes Filmchen über „Melastogma“, Bienen und ihr
Zuhause zu sehen. Nicht gerade ein Werbefilm, denn man blickt auf
Tausende von rumschwärmenden Tierchen in den Regalen, was zwar
faszinierend aber auch unheimlich wirkt. Also mich kribbelts auf jeden
Fall überall, wenn ich mir das anschaue. Es ist schon verwunderlich,
dass so ein rumwimmelndes Getier ein für uns so wohlschmeckendes Produkt
herstellt, das zudem einst als Getränk der Götter galt. Ich denke, das
ist es noch, wenn ich die hohen Preise sehe, und das selbst hier auf der
Insel, wo Ziegenmilch und Honig fließen...
Copyright ©Julie Smit 2009 |