|
AUS
DEM DSCHUNGEL
Eine bittere Pille
Aus dem Holländischen von Gabriele Podzierski
Der griechische Sommer, er dauert so
ungefähr von Mitte Juni bis Mitte September, ist einfach zu heiß, um
zwischen 9 und 18 Uhr draußen irgendwelche schwere körperliche Arbeit zu
verrichten. Das „schwere“ hätte ich mir jetzt sparen können, denn
eigentlich ist jedwede Betätigung unter der griechischen Sommersonne
schwer. Von daher dachte ich auch heute morgen etwas länger darüber
nach, ob ich mich an den Mandelbaum neben meinem Fenster machen soll,
der einen kräftigen Rückschnitt bitter nötig hat.
Zwar haben zwei Albaner schon mit der
Kettensäge im Auftrag der DEH (das hiesige Elektrizitätswerk) an unserem
Bäumchen rumgewerkelt, damit es nicht mit Kabeln verwächst, aber das
ziemlich lieblos, und die abgerissenen Zweige, an denen noch die Mandeln
baumeln, stören mich echt dabei, beim Blick aus dem Fenster über den
Sinn des Lebens nachzudenken.
Also, die Mandeln müssten geerntet, die
Zweige entfernt und der Baum insgesamt beschnitten werden. (Der
Grünschnitt darf zwar noch nicht jetzt – wegen zu großer Feuergefahr –
verbrannt werden, aber ab Oktober ist dies gestattet). Hört sich simpel
an, nicht wahr? Aber nicht für mich... Ich hab heut morgen nicht mehr
geschafft, wie einen Teil des Baumes etwas zu stutzen, ein paar Mandeln
abzupflücken und sie von der Schale zu befreien. Diese werde ich
trocknen und für die Teilnehmer meiner „Spaziergänge“ (ich berichtete
schon darüber) aufheben. Ach, ich muss noch erwähnen, dass ich die ganze
Zeit von einer „Prunus amygdalus ssp. Amara (Mill.)Webb* rede: Der
Bittermandel, dem Baum, der bittere Mandeln trägt. Wie ich bereits in
meinem letzten Urwaldbericht „Feigen in den Brei“ (Anmerkung der
Übersetzerin: ...mach ich später) erwähnte, überlebt man zwar nicht den
Verzehr von einem Dutzend der bitteren Frucht, aber isst man täglich nur
1 – 2 (frisch, nicht erhitzt!) hilft dies vorbeugend gegen Krebs. Also,
dafür kann man sie nutzen, sowie zur Herstellung von Kuchen, Marzipan,
Likör, etc., und zum Beobachten, was das Amygdalin, das Blausäuregas,
welches in Bittermandeln reichlich vorhanden ist, bei den Teilnehmern
meiner geführten Spaziergänge anstellt. Da gibt’s einige, die merken gar
nichts und spucken die Frucht ganz stickum wieder aus. Verspürt jemand
beim Kauen Missempfindungen auf Zunge und Gaumen, sowie ein Kribbeln, so
reagiert er zwar empfindlich auf die Frucht, aber nicht allergisch. Tja,
und wenn sie allergisch dagegen sind, dann holen sie ihre
Injektionsspritze raus, die sie allezeit mitsich führen. Tja, das Leben
als Jim Jones von Lesvos ist nicht so einfach... Aber, stopp, ich
schweife ab.
Die meisten gesundheitsfördernden
Eigenschaften hat die Bittermandel aufgrund ihrer Inhaltsstoffe
Amygdalin (das griechische Wort für Mandel = „Amygdaliá“) und Prunasin,
cyanogene Glycoside, von denen bei Zugabe von Wasser (also auch von
Speichel), Blausäure abgespalten wird. In kleinen Mengen verzehrt,
stimuliert diese Substanz die Atmung, ist gut für die Verdauung und
vermittelt ein Gefühl von „Wohlbehagen“. (Deshalb bin ich auf meinen
Wanderungen auch immer so gut drauf).
Außerdem sitzt in der Bittermandel
Benzaldehyd, was diesen typischen Mandelgeruch verströmt, bekannt auch
aus den Krimis von Agatha Christie. Wissen Sie was, ich hab einen Test
gemacht, und es dauert exakt eine Minute, bis Blausäure wirkt... na, und
das ist genau die Zeit, die ein Mörder benötigt, um Spuren zu beseitigen
und sich vom Tatort zu entfernen.
Es gibt auch eine Süßmandel (Prunus
amygdalus ssp. dulcis (Mill.) Webb.*), aber nach 6 Jahren
Bittermandel-Verzehr, bringt einem dieses „Bonbon“ nichts, denn dann ist
man nämlich echt süchtig nach dieser „bitteren Pille“.
Fairerweise habe ich hier auch ein
Rezept, für die Wanderer, die ich inzwischen von der Bittermandel
abhängig gemacht habe:
3 Tassen stückigeTomaten (getrocknete
gehen auch, aber erst einweichen)
1 Tasse Mehl
1 Ei
1 Esslöffel gehackte Petersilie, Minze
und Basilikum
½ gehackte Zwiebel oder eine mittelgroße
Zwiebel
Pfeffer und Salz
Etwas Olivenöl, für die Zubereitung
10 cc Mandelöl
Los geht’s: Tomaten zerkleinern und in
eine große Schüssel füllen. Kräuter darüber streuen, Ei, Zwiebel, Mehl,
Salz, Pfeffer dazu und alles zu einer festen Masse rühren. Einen
größeren Servierlöffel mit Mischung füllen und sie dann in erhitztes
Olivenöl geben. Das Öl nicht zu heiß werden lassen, denn Olivenöl nimmt
man zum Kochen und nicht zum Frittieren. Nach ein paar Minuten wenden,
und so lange in der Pfanne lassen, bis sie wie dunkles Brot aussehen.
Vor dem Servieren noch auf etwas Küchenpapier oder einem Sieb abtropfen
lassen.
So, und mit dem Mandelöl reiben Sie vor
dem Essen Ihren Körper ein, das ist gut für die Haut und hilft gegen
Krampfadern (hab ich gelesen), und dann geben Sie einen Tropfen oder so
auf dieses Tomatengericht, denn Mandelöl ist ein ausgezeichnetes
Abführmittel...
Jan van Lent/15. September 2009-09-19
*Mill.
= steht für Philip Miller (1691-1771), einem berühmten britischen
Pflanzenkundler. Er publizierte eine Anzahl wissenschaftlicher
Nachschlagewerke in der Zeit kurz vor und kurz nach Linnaeus. Er ist der
erste berühmte Verfasser einer großen Anzahl botanischer Namen.
*Webb. = Philip Barker Webb (1793 – 1854)
war ebenfalls ein britischer Botaniker und Gegraph. Zwischen 1817 und
1818 führten ihn seine Reisen durch Italien, Griechenland und Canakkale
(türkische Provinz direkt gegenüber von Lesvos). Auf seinem Weg wird er
zweifellos einem Mandelbaum begegnet sein und ihn Prunus dulcis getauft
haben. Danach machte er sich auf nach Portugal, Spanien, auf die Kanaren
und ließ auch Marokko und Brasilien nicht aus. Aus diesen Reisen
entstand eine riesige botanische und geologische Sammlung. Neben vielen
Sachbüchern ist er Co-Autor der ersten Naturgeschichte der Kanaren, des
bekannten und wichtigen Werkes „ Histoire Naturelle des Iles Canaries“
(1836-1850).
|