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AUS
DEM DSCHUNGEL
Blumen für die Braut
Aus dem Holländischen von Gabriele Podzierski
Um
auf meinen letzten Bericht hinsichtlich Mücken und Fenchel
zurückzukommen: Fenchelblüten auf dem Nachttisch helfen eindeutig nicht
gegen diese Plage. Stellt sich die Frage, ob es vielleicht etwas bringt,
wenn man sich mit Ouzo einreibt? Womit man dann aber vor folgendem
Problem steht: Welche der 47 Sorten ist individuell für Sie dafür am
besten geeignet? Nein, bitte nehmen Sie nicht den „Barbayanni“, denn zum
einen enthält er mehr Anis als Fenchel, und zum anderen ist er einfach
zu teuer, um ihn auf die Haut zu schmieren. Auch vom Pitsiladi rate ich
für diesen Zweck ab, denn der ist viel zu lecker... Tja, und was ist
eigentlich, wenn Sie feststellen, dass Ihr Bettnachbar schon allein von
dem Geruch betrunken wird? Wir hatten ja schon mal einen
Ouzo-Qualitätstest mit Freunden gemacht
(s. Lesvos-News 4.11.07),
aber damals ging es ja allein um den Geschmack, ob wir nun aber für
einen weiteren Test, mit dem wir herausfinden wollen, welcher Ouzo die
beste nächtliche Anti-Mücken-Körperlotion ist, wieder problemlos 8
Freiwillige finden, weiß ich nicht. Abschließend möchte ich erwähnen,
dass ich mir einen neuen teuren „Mückenstecker“ gekauft habe, und siehe
da: Nicht ein einziges Mückentier hat mich mehr belästigt!
Während ich letzte Woche Fenchel pflückte und fotografierte, stand eine
weiße, ziemlich große Blume störend im Hintergrund, und zwar direkt vor
den „Bamies“ (= Okraschoten, wissenschaftl.: „Hibiscus esculentus L.*“,
wörtlich übersetzt Hibiscus oder Rosenpappel, genießbar), ein Gemüse,
auf das die Griechen narrisch sind. Nun, aber zurück zu der weißen
Blume, mit den 5 großlappigen spitzen Blütenblättern, die zwischen ihrem
Grün oft stachelige Samenkapseln trägt. Zwar hatte ich sie auf meinen
Spaziergängen schon mehrmals gesehen, dachte aber, es wäre eine
Gartenpflanze, die sich selbst in die freie Wildbahn ausgesät hat. Ich
habe da noch nicht meinen Geruchssinn, der sich, seit wir hier auf
Lesvos leben besonders stark ausgeprägt hat, eingesetzt. Denn dann hätte
ich sofort gewusst, dass diese Blumenschönheit keinem häuslichen Garten
entspringen kann, denn jedweder liebevollen Hege und Pflege würde sie
mit einem widerlichen Geruch aus der trompetenförmigen Blüte danken, und
Gestank bedeutet auch in der Botanik: Halte Abstand!
Tja, und dann kam in dieser Woche der Abend von „Meine griechische
Hochzeit,“ und ich tat ganz scheinheilig so, als sei ich mit dieser
großen weißen Blume zwischen den Okras vertraut, als es darum ging,
einen Strauß – uns schwebten Lilien vor - für die Braut mitzunehmen. Nun
gut, dachte ich, weiß – Braut – Blume: vielleicht ist es ja eine
Madonnenlilie (Lilium candidum L.), bis mir dann aber aufging, dass das
nicht sein konnte, da diese Spezies bereits um diese Jahreszeit verblüht
ist. Ja, und dann begriff ich langsam, dass es eine Datura* (Stechapfel)
ist, und die sollte man bitte nicht in den Strauß für eine Braut
binden...
Datura also, um präzise zu sein: „Datura stramonium L.“ (das L*. steht
natürlich für Linnaeus, bekannt für die unzähligen Straßen und Parks,
die auf der ganzen Welt nach ihm benannt wurden). Tja, und beim
Durchforsten meiner Bibliothek (vielleicht etwas übertrieben) nach
dieser Pflanze, stieß ich auf Theophrastus (Lesvos 372 – 287 v. Chr.),
der sich über „Datura stramonium“ so ausließ, dass ich erst dachte, er
würde über Kokain schreiben:
„Verabreicht man einem Patienten 3/20 einer Unze (1 Unze 28,35 gr., also
4 Gramm), so denkt dieser, er sei athletisch und ein großartiger Kerl,
die doppelte Dosis (8 Gramm), lassen ihn verrückt werden und führen zu
Wahnvorstellungen, die dreifache Menge (12-13 Gramm) treiben ihn in den
endgültigen Wahnsinn und vervierfacht man die Menge (17 Gramm) ist er
tot.“
Meine weiteren Recherchen in der „moderneren Literatur“ lehrten mich,
dass „Datura stramonium“ (Weißer Stechapfel), genau wie der hier auch
vorkommende „Datura metel“ (Indischer Stechapfel), hochgiftige
narkotische Pflanzen sind, mit einer hohen Alkaloid-Konzentration, davon
vor allem Scopolamin in den Blättern und Samen. Bei der Trocknung
produziert das Alkaloid Atropin, dass bei der Herstellung von Drogen und
als Drogenersatz Verwendung findet. Kürzlich habe ich aber auch gelesen,
dass die Pflanze in Südamerika ein beliebtes Dopingmittel für Rennpferde
ist, dass sie als Medikament bei psychischen Krankheiten eingesetzt
wird, um der Reisekrankheit vorzubeugen und, da sie Hyoscin enthält, in
den 50er Jahren auch als Wahrheitsserum diente. Damit nicht genug,
sollen die Blätter beider Stechapfelsorten asthmatische Krämpfe lindern
und bei kleineren Operationen und Zahnbehandlungen die zu verarztenden
Stellen betäuben.
Auch noch unter Datura gefunden: Einsetzbar bei Krämpfen, nervösen
Störungen, akuter Manie, Delirien, Angst vor dem Alleinsein,
Halluzinationen, Epilepsie, akuter Nymphomanie und Versteifung... Na, so
gesehen, wäre ein Datura-Gebinde doch ein gutes Mitbringsel für die
Braut und auch für den Bräutigam. Kurzum ein geeignetes Mittel in guten
und in schlechten Zeiten, in Gesundheit und Krankheit...
WARNHINWEIS:
Die
Pflanze nicht – für was auch immer – gebrauchen, denn dies könnte in den
Wahnsinn und schlimmstenfalls zum Tode führen!
Jan van Lent/25. August 2009
*
Der Gattungsname „Datura“ kommt über das Portugiesische oder Arabische
aus einer indischen Sprache (Hindi = dhatura).
*L.
= Linnaeus Carl (1707 – 1778), schwedischer Arzt, Botaniker, und was
nicht noch alles, der später, als er in den Adelsstand erhoben wurde
Carl von Linné hieß. Er hat in seinem Leben um die 7.000 Pflanzen
klassifiziert, und obwohl mittlerweile viele Arten umgegliedert und
umbenannt wurden, findet man das „L.“ von Linné nach wie vor hinter den
botanischen Namen.
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