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BOULEVARD-NEWS LESVOS
Glücksvögel
5.August 2014 – Glücksvögel
Aus dem Holländischen von Gabriele Podzierski
Keine Frage, ich mag Vögel wirklich sehr, trotzdem werde
ich mich niemals dem Hobby der Vogelbeobachtung widmen, denn dafür fehlt
mir einfach die Geduld. Zudem sollte man dazu schon ein bisschen Ahnung
von der Ornithologie haben, denn ansonsten stellt man sich ja in dem
Vogelparadies Lesvos dauernd (so wie ich) die Frage, was es wohl für ein
Piepmatz ist, den man da vor seinen Augen hat.
Klar ist, dass ein Flamingo auch ohne Blick ins Fachbuch
zu erkennen ist, ebenso der Schwarzstorch, welcher hingegen nicht so
einfach zu finden ist. Schwieriger wird es beim Reiher und einem weißen
Storch. Immer wieder passiert es, wenn wir mit Freunden entlang der
Salinen von Polichnitos fahren, dass ich erfreut ausrufe: „Schaut, ein
Storch!“ und ich mich berichtigen lassen muss, da es sich um einen
Reiher handelt. Die kleineren Wattvögel dort kann ich überhaupt nicht
zuordnen. Wie gesagt, ich habe mich noch nicht für die Vogelkunde
interessiert und auch nicht wirklich an dieser Stelle darüber
geschrieben.
Ach, doch, in den
Lesvos-News vom 30. März 2009 habe ich meiner Verwunderung über
ein riesiges Schild an der Straße nach Palios Ausdruck verliehen, das
über die Rostgans informiert. So weit ich weiß, ist es die einzige
Vogel-Informationstafel auf der Insel, obwohl es eine gute Idee wäre,
mehrere davon aufzustellen, vor allem entlang der Salinen.
Möwen sehe ich tagtäglich, und es scheint hier an der
Nordküste mehrere Arten zu geben, wie z.B. die Korallenmöwe, die
Mittelmeermöwe und den Mittelmeer-Sturmtaucher, der aussieht wie eine
Möwe aber gar keine ist.
Lange Rede, kurzer Sinn: Ich habe mir vorgenommen, nun
doch in die Vogelkunde einzutauchen und habe mir dazu ein Buch gekauft:
Meine Wahl fiel auf
"Vogels kijken op Lesbos" von Luc Hoogenstein (Anmerkung der
Übersetzerin: Ein solches Buch gibt es leider nicht in deutscher
Sprache), und ich hatte die Hoffnung, dass es mir hilft, demnächst eine
Kennerin auf diesem Gebiet zu sein. Das Werk führt die beliebtesten
Vogelbeobachtungsgebiete auf, nebst Auflistung der Arten, die Sie dort
erwarten können. Tja, zwar sehr handlich gemacht, aber meines Erachtens
doch eher für Fortgeschrittene, denn mir, als blutige Anfängerin, fehlen
die Abbildungen neben dem jeweiligen Namen. Was nutzt dieser mir, wenn
ich nicht weiß, wie der Vogel aussieht? Puh, jetzt sieht es so aus, dass
ich das ganze Buch durchblättern muss, wenn ich z.B. wissen will, wie
der Vogel mit den weißen Flecken an der Seite heißt, den ich kürzlich
erblickt habe. Auch das Internet ist da nicht wirklich eine einfache
Hilfe.
Eine weitere Vogelart, die zu meinem Alltag gehört, war
für mich eine Krähe. Falsch!! Inzwischen weiß ich, dass die schwarzen
Vögel, die auf den Stromleitungen hocken und über die Felder und am
Strand lang staksen, nicht unbedingt Krähen sondern auch Raben oder
Dohlen sein können. Ich tippe mal auf letztere, eine Untergattung aus
der Familie der Rabenvögel und der Gattung der Raben und Krähen: „Corvus
monedula“, denn ihr Gefieder ist teilweise grau, und ihre wunderschönen
Augen haben einen gelben Kreis um die dunkle Iris. Auch wenn Dohlen
schon ziemlich große Vögel sind, so sind Krähen noch größer, und die
Raben erinnern gar an riesige Raubvögel. Ach, ich bin ja schon froh,
dass Eichelhäher und Elstern Farben tragen, an denen man sie leicht
ausmachen kann.
Die Zeit unserer gefiederten Freunde ist natürlich der
Frühling, aber auch in den letzten Monaten habe ich viele sehen können,
zumal manche von ihnen so keck sind, die Früchte aus meinem Garten zu
stibitzen. Zwar übertreffen derzeit die Grillen mit ihrem Gesang das
Vogelgezwitscher, aber im Hintergrund ist ab und an ihr herrliches
Stimmchen doch zu hören.
Vögel sind auch gegenwärtig, geht man in den warmen
Sommermonaten aus zum Essen, denn dann überraschen sie mit ihren
Flugkünsten über den gedeckten Tisch hinweg, wenn dieser in der
Einflugschneise zu ihrem Nest steht: Schwalben! Auch die Touristen
werden mit diesem Phänomen auf ihren Hotelbalkonen konfrontiert. Mir
fällt dazu ein, dass Griechen ja so mal gar nicht davon begeistert sind,
wenn Hunde im Meer baden. Eine unhygienische Angelegenheit für sie, und
meines Wissens ist es auch nicht gestattet, aber wenn die Schwalben
Tische, Balkone und Häuser voll kacken, dass stört sie nicht, denn sie
sind Glücksbringer, und einer Familie soll umso mehr Segen bevorstehen,
wenn diese Vögel ihren Nachwuchs an ihrem Haus zur Welt bringen. So
werden die Nester von den Griechen treu bewacht und das, obwohl die
vielen Flugkilometer, welche von den Eltern zur Fütterung der Jungen
zurückgelegt werden, haarscharf an ihren Köpfen vorbeigehen.
Nein, ich beschwere mich nicht darüber, denn die
Schwalben bieten uns ja nun mal wirklich ein unterhaltsames Spektakel,
was dazu beiträgt, dass man sich in der Taverne gleich wohl fühlt.
Erst jetzt habe ich realisiert, dass Schwalben Zugvögel
sind und ihren Platz in der griechischen Kultur haben: Nicht nur, dass
sie hier als Glücksbringer gesehen werden, sondern sie sind es, die den
Frühling verkünden. Am ersten Tag im März werden sie aus Afrika
zurückerwartet, zumindest ist das der Tag („Chelidonismata“), an dem
ihre Ankunft gefeiert wird. Kinder ziehen von Haus zu Haus, klopfen an
die Türen, Papierschwalben in den Händen und
Lieder über den Frühling und die Schwalben auf den Lippen.
Da ich immer auf der Suche nach neuen Einkommensquellen
für die Griechen bin, interessierte es mich in diesem Zusammenhang
natürlich auch, was das für Schwalbennester sind, die in Asien gegessen
werden. Die Nester hier sind aus Lehm, Zweigen, Stroh und ich weiß
nicht, was sonst noch für Materialien diese Konstruktionen
zusammenhalten. Auf jeden Fall konnte ich mir nicht vorstellen, dass
dies das neue Exportprodukt Griechenlands sein könnte. Richtig! Denn ich
habe herausgefunden, dass es im fernen Asien eine ganz besondere
Schwalbenart gibt, die ihr Nest nur mit ihrem Speichel baut. Ich bin
ziemlich unsicher, ob ich diese Spezialität, der aus Lehm und Stroh
vorziehen würde…
Auch Schwalben unterteilt man in verschiedene Arten, aber
ehrlich gesagt, meine Studien haben mich nicht weitergebracht, sondern
nur verwirrt, und drum sag ich mir nach wie vor einfach, dass das
Vögelchen eine Schwalbe ist, wenn es einen gespaltenen Schwanz hat und
mache mich weiter auf die Suche nach einem ornithologischen Handbuch,
das ganz simpel auf einem Bild den Vogel zeigt und benennt, den man
gerade sucht. Eben einem Vogel-Führer für Anfänger, der auch ganz
verständlich die Unterschiede zwischen den Arten beschreibt. Jetzt, wo
die Hitze, welche die Insel überrollt, so groß ist, dass die Spatzen von
den Dächern fallen (eine Redewendung in den Niederlanden) wäre es doch
wirklich wichtig zu wissen, welche Spezie ich da gerade wieder
reanimiere.
©Julie Smit
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