Molyvos (Mithimna)

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BOULEVARD NEWS AUS LESVOS

 

Stürmische See

12.November 2007 - Flüchtet um Euer Leben!

Aus dem Holländischen/Englischen von Gabriele Podzierski

Für griechische Verhältnisse haben wir in der letzten Zeit ein schreckliches Wetter: Sturm, Regen, Gewitter und dazu auch noch einige Erdbeben (die natürlich nicht unter den Begriff "Wetter" fallen). In den 5 Jahren, seit wir auf Lesvos wohnen, haben wir so einen stürmischen Herbst noch nicht mitgemacht. Es ist derzeit hier wie im Januar und Februar, wenn - genau wie jetzt - das Meer wild und wütend braust und weiße Gischt sich auftürmt. Mit dem Satz: "Heut´ist kein Flüchtlingswetter" kommentieren wir diese Tage.

Obwohl ich mich doch frage, ob manch ein Menschenschmuggler nicht doch so skrupellos ist und auch selbst dann, wenn ihm die salzigen Schaumkronen nur so um die Ohren fliegen, die Flüchtlinge in ein Schlauchboot setzt, dessen Boden er vorher mit einigen Einschnitten versehen hat, und ihnen zuruft:

"Flüchtet um Euer Leben Richtung Griechenland!", denn auch nach einer noch so stürmischen Nacht kann man sie in Molyvos kauern sehen, an der Bushaltestelle oder nah bei der Olivenpresse. Tja, und dann fragt man sich, was für eine Reise diese Menschen wohl hinter sich gebracht haben müssen.

Auch der englische Filmregisseur Michael Winterbottom hat sich diese Frage gestellt. Vor einigen Jahren wurde dieser mit der Schlagzeile konfrontiert, dass 58 Chinesen auf einem Boot in einem Container tot aufgefunden wurden.

Sie haben den Versuch, England über das Meer illegal zu erreichen, mit ihrem Leben bezahlt. Winterbottom stellte daraufhin weitere Recherchen über Flüchtlinge in seiner Heimat an und entschloss sich dann, einen Film über den Fluchtweg von Pakistan nach England zu drehen. Dieses Flüchtlingsdrama "In this world" wurde 2003 bei den Internationalen Filmfestspielen in Berlin mit dem "Goldenen Bären" ausgezeichnet.

Für die Hauptrollen castete Winterbottom in Pakistan 2 Jungen aus Afghanistan: Jamal, auch im wirklichen Leben ein Flüchtling, und Enayat, Sohn afghanischer Eltern. Mit einer kleinen Crew und einer Digital-Videokamera zeichnete der Filmemacher den Fluchtweg von Pakistan auf: durch den Irak und die Türkei, rüber nach Italien, dann nach Frankreich und schlussendlich nach England. Über ein gut ausgebautes Schmugglernetzwerk reisen sie auf Ladepritschen von kleinen Pick-Up-Lastern, im Bus, zu Fuß über das unwegbare schneebedeckte Grenzgebirge, in einem Container auf einem LKW, dann auf einem Frachtschiff, per Zug und das letzte Stück muss Jamal dann zwischen den Rädern eines Lastwagens zurücklegen.

Herzzerreißend vermittelt dieser Film, welche Tourtouren Flüchtlinge, wie die, die z.B. auf Lesvos ankommen, durchgemacht haben müssen. Aber Lesvos ist immer noch nicht das versprochene Land, sie müssen weiter, zunächst nach Athen und von dort in den Westen von Europa, wenn sie vorher nicht geschnappt werden. Wenn man sieht, wie viele von ihnen hier verhaftet werden, weil sie Griechenland illegal erreichen, fragt man sich schon, wie groß die Zahl derer ist. Die durchs Polizeinetz schlüpfen konnten.

In dem Film "In this world" führt eine Strecke des Fluchtweges von Istanbul direkt nach Italien. Doch seit einigen Jahren kann man feststellen, dass der Weg immer häufiger über das nördliche Festland oder die Inselwelt von Griechenland führt. Griechenland klagt über die steigende Zahl der Asylbewerber, die aus der Türkei kommen. Man wirft der Türkei vor, keinerlei Maßnahmen gegen den Menschenschmuggel zu ergreifen, und auf der anderen Seite beschuldigt die Türkei die griechische Küstenwache, die Flüchtlinge in die Türkei zurückzuschicken, und das, nachdem man ihre Boote seeuntüchtig gemacht hat. Internationale Flüchtlingsorganisationen beschuldigen Griechenland, die Flüchtlinge zu misshandeln, und der "Spiegel" unterstellt der griechischen Küstenwache sogar Folter.

Für mich ist fraglich, ob diese Behauptungen der Wahrheit entsprechen. Es ist doch allgemein bekannt, dass es die Menschenschmuggler sind, die die Schlauchboote beschädigen, damit die Fliehenden all ihre Kraft aufbringen müssen, um so schnell als möglich die griechische Küste zu erreichen (nicht wenige ertrinken bei diesem Versuch). Meine Meinung ist, dass gegen die türkischen Schmuggler nicht genug gekämpft wird. Wie sonst soll man diese große Anzahl von Flüchtlingen erklären, die hier auf Lesvos ankommen? (rede ich jetzt etwa wie ein Grieche?). Nun, jedenfalls sehe ich fast täglich mit eigenen Augen diese Menschen nach Molyvos marschieren, um dann von Athen aus das Land zu erreichen, in dem angeblich Milch und Honig fließen soll.

Afghanen, Pakistanis, Iraker, alle nur mit einem Plastikbeutel in der Hand, versuchen sie, sich auf ihrem Weg über die nun menschenleere Straße von Eftalou so unauffällig wie nur möglich zu verhalten. Doch wie jetzt, waren sie auch im Sommer, als es noch von Touristen so wimmelte, die am Meer langspazierten, leicht auszumachen, mit ihren langen Hosen und den Plastikbeuteln in den Händen.

Fakt ist, dass das Auffanglager auf Samos, dass einige Monate in den Nachrichten war, aus allen Nähten platzt. Aber wie sollte man ahnen, dass sich in nur wenigen Monaten die Zahl der Flüchtlinge verdreifachte. Was soll geschehen, wenn auch hier vor Lesvos ein Boot mit 275 Flüchtlingen ankommt,so wie es jetzt letztes Wochenende am Peleponnes geschehen ist? (ein türkisches Boot, auf dem Weg nach Italien, wurde von schlechtem Wetter überrascht).

Auf jeden Fall ist es traurig, dass solch eine Völkerwanderung vor unseren Augen stattfindet. Man fühlt sich so hilflos, was können wir tun? Wenn Sie den Film "In this world" gesehen haben, so wird auch Ihnen klar werden, dass es inzwischen besonders hier in Griechenland ein Geschäft geworden ist, indem es um Massen von Geld geht, was man mit diesen verzweifelten Menschen betreibt, da die Anzahl der Flüchtlinge in den Himmel schießt. Und wenn es um den Profit geht, ist klar, dass die Ware nicht immer gut behandelt wird.

Aber es ist doch auch klar, dass, sollte man all die skrupellosen Menschenschmuggler inhaftieren würde, dies keinesfalls bedeutet, dass man die Flüchtlinge aufhalten könnte. Sie würden weiterhin alles daransetzen, um Hilfe zu finden, ihren Traum zu verwirklichen, auch wenn sie illegal ist.

Weiterhin würden sie alles tun und auch ihr Leben aufs Spiel setzen, um die westlichen Länder zu erreichen.

In Molyvos ist die Polizeibesetzung nicht ausreichend genug, um ihnen wirklich bei ihrer Flucht hinderlich zu sein. Sie machen sich zu Fuß auf, nehmen ein Taxi oder den Bus nach Mytilini, und dort kaufen sie sich ein Ticket für einen Flug oder eine Schiffspassage nach Athen. Die Fliehenden zeigen aber auch wie durchlässig die Grenzen Europas sind. Wie ist es sonst zu erklären, dass mehr und mehr von ihnen in den Fliegern nach Amsterdam sitzen?

Als "In this world" abgedreht war, ging Jamal, einer der beiden Hauptdarsteller, nach Pakistan zurück. Aber nur für eine kurze Zeit. Kurz danach trat er die Flucht nach England noch einmal an, um dort um Asyl zu bitten, und zwar so, wie er es zuvor in dem Film gespielt hat.

Die Welt ist im Aufbruch, und es gibt nichts, was wir tun können, um die Flüchtlinge aufzuhalten. Großfamilien raffen ihr Geld zusammen, um einem einzigen Familienmitglied, die Möglichkeit zu geben, ein besseres Leben zu führen, und sei der Versuch auch noch so lebensgefährlich. Lesvos und andere griechischen Inseln sind dabei eine Zwischenstation auf einer langen bedrohlichen Reise ins Ungewisse. Das heißt aber nicht, dass es keine Immigranten auf der Insel gibt. Hier leben mittlerweile, legal oder illegal,

- so wie in ganz Griechenland - eine große Zahl von Albanern, Rumänen, Russen und Bulgaren. Sie kommen über eine andere Route ins Land, über die Berge im Norden, und das ist wiederum eine andere Reise und eine ganz andere Geschichte...

Copyright ©Julie Smit 2007