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BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
4.Juni 2007 -
Grenzen
Aus
dem Holländischen/Englischen von Gabriele Podzierski
Vielen Touristen, die hier herkommen, war noch gar nicht bewusst,
dass Lesvos von der Türkei geografisch umschlossen ist. Sowohl vom Süden,als
auch von Norden und Osten der Insel blickt man auf das Nachbarland und auf die
Regionen von Izmir, Balikesir und Canakkale. Im Nordosten von Lesvos liegt das
kleine Hafenstädtchen Ayvalik und Tagestouren dahin werden von hier aus
angeboten. Seit dem griechisch-türkischen Krieg von 1919 - 1922 wird Ayvalik
hauptsächlich von Griechen bewohnt. Schaut man von Lesvos in Richtung Norden,
hat es den Anschein, als würde die Türkei dort enden, könnte man um die Ecke
schauen, würde man jedoch das berühmte alte Troja erblicken. Die Stadt Izmir,
auch als das alte Smyrna bekannt, liegt im Süden, fast auf gleicher Höhe mit der
Nachbarinsel Chios.
Eine kürzliche Meinungsumfrage hatte zum Ergebnis, dass immer noch 60 % der
griechischen Bevölkerung glaubt, dass ein Teil der Türkei zu Griechenland
gehören sollte: Anatolia, Izmir und Konstantinopel (der heutige Name Istanbul
ist nie akzeptiert worden). Eine Umfrage nur hier auf der Insel, würde
wahrscheinlich noch viel höher ausfallen, denn viele Bewohner stammen von der
anderen Seite, denn ihre Eltern und Großeltern kommen dort her.
Jahrhunderte vor Christus war Smyrna eine äolische Stadt, bis sie dann ionisch
wurde. 545 v.Chr. wurde sie von den Persern zerstört und 300 v.Chr. von
Alexander dem Großen wieder aufgebaut. So alt ist die griechische Geschichte.
Im Jahr 1076 n.Chr. übernahmen die Türken erstmalig die Stadt, 1122 erfolgte die
Rückeroberung durch das Byzantinische Reich. Dann kämpften die Ottomanen und die
Genuesen um Smyrna, und 1425 schlussendlich wurde die Stadt ottomanisch. Das
Ottomanische Reich beherbergte verschiedene Völker. Im 17. Jahrhundert lebten
Griechen, Türken, Juden und Armenier in Smyrna, Seite an
Seite mit reichen Kaufleuten aus den Niederlanden, aus England, Italien und
Frankreich. Izmir war eine internationale Handelsstadt geworden.
In Griechenland wird gelehrt, dass besonders die Griechen einflussreiche
Positionen auf dem Handelssektor besetzten, und in vielen Büchern stößt man auf
Fotos, die stolze Griechen in der einst so blühenden Stadt zeigen. Mit dem
idyllischen internationalen Leben war es mit dem Ende des
Griechenland-Türkei-Krieges 1922 vorbei. Als die Griechen besiegt waren, wurde
nicht nur das griechische Heer aus dem Ottomanischen Reich vertrieben, sondern
auch ein großer Teil der griechischen Einwohner. Izmir ist bekannt für die
blutigen Schlachten, die stattfanden, als die Griechen von dem Hafen aus auf die
griechischen Inseln entkommen wollten. Die Stadt wurde
niedergebrannt, und von der früheren Handelsdomäne war nicht mehr viel übrig,
als 1923 der Türkische Staat von Kemal Atatürk gegründet wurde.
Es gibt 7 Städte, die für sich beanspruchen, die Geburtstätte Homers zu sein:
Salamis, Argos, Athen, Rhodos, Colophon, Chios und Izmir. Die meisten Menschen
sind davon überzeugt, dass Homer in Ionia zur Welt kam, was bedeuten würde, dass
entweder in Chios oder Izmir seine Wiege stand.
Der bekannteste Grieche, der Izmir 1922 verlassen musste, ist der große Reeder
Aristoteles Onassis. Auch die Eltern von Haris Alexiou, der berühmten Sängerin,
deren Popularität, seit nunmehr 40 Jahren in Griechenland andauert, flohen
seinerzeit aus Izmir. Haris Alexiou besuchte das Land ihrer Großeltern das 1.
Mal nach dem schweren Erdbeben im Jahre 1999 und eroberte später auch die Türkei
mit ihrer Musik im Sturm.
Es ist offensichtlich, dass die Türkei ein Teil der Geschichte vieler
griechischer Familien ist, und darum ist es kaum verwunderlich, dass ein Teil
der Bevölkerung immer noch der Meinung ist, dass etwas von der Türkei doch zu
Griechenland gehören müsse.
Vor einiger Zeit überraschte die Regierung von Lesvos ihre Bewohner mit dem
Vorhaben, die türkische Insel Garip zu kaufen. Garip liegt in der Ägäis und ist
nicht weit von Izmir entfernt (siehe:
www.garipisland.com). Bekannt ist die Insel durch den Krieg der Spartaner
gegen die Athener im Jahr 406 v.Chr. Die Insel ist in Privatbesitz einer
türkischen Familie, die sie für ca. 11 Mio Euro zum Kauf anbot. Kurz nachdem
bekannt wurde, wer an dem Erwerb interessiert ist, verkündete die Türkei, dass die Insel nicht an Griechen verkauft werden dürfe.
Nun, es wäre doch auch zu schön um wahr zu sein: Statt Kriege zu führen, kauft
man sein Eigentum einfach zurück. Obwohl, ich habe da so meine Zweifel, dass die
türkische Regierung im Falle eines Erwerbs durch Lesvos es gestattet hätte, dass
über Garip die griechische Flagge munter im Winde weht... Copyright ©Julie Smit 2007 |