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BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
Blühende Wildbirne im Dezember
11.Dezember 2006 -
Frühling im Dezember
Aus
dem Englischen von Gabriele Podzierski Sie müssten derzeit einmal die Wettervorhersage und all das Gerede darüber hören: Dieser Herbst ist der wärmste seit Gezeiten, und der Winter macht keine Anstalten, einzuziehen. Obwohl man sagt, dass in Griechenland die kalte Jahreszeit erst im Februar beginnt und im März schon wieder endet, sind die derzeitigen Temperaturen selbst den Griechen suspekt und viel zu hoch. Der einzige Regen ist Anfang
November gefallen, und die Sonne führt sich auf, als wäre der Sommer noch gar nicht vorbei. Es ist solch ein großartiges Wetter, dass selbst die Natur in Verwirrung gerät. Wir haben um diese Jahreszeit einen wilden Birnbaum gesehen, der schon Blüten zeigte, und die Anemonen sind bereits eifrig dabei, ihre bunten Köpfe auszustrecken, als wollten sie den Frühling begrüßen. Auch der Sauere Klee ist in diesem Jahr schneller als sonst, und die Wiese unter den Olivenbäumen trägt bereits ihr Frühlingskleid. Die kleinen
Geißlein rufen ihre Mütter, und selbst die ersten neugeborenen Lämmchen wagen ihre ersten noch unsicheren Schrittchen ins grüne Gras. Das jedoch löst bei den Füchsen, die einem derzeit überall vor die Füße laufen, eine riesige Vorfreude aus. Heute Mittag, während eines Spaziergangs, fand unser Hund Albino den Rücken eines kleines Lammes, an dem sich noch die beiden Hinterläufe befanden. Wahrscheinlich hat er diese Beute einem Fuchs gestohlen. Ein schauderlicher Anblick! Ich bin schon ein wenig ärgerlich auf die
Griechen, denn ich meine, diese Raubtiere, die so süße kleine Lämmchen ermorden, sollten doch irgendwie bestraft werden. Immer wieder treffen wir auf Bewohner hier, die uns berichten, wie viele Hühner oder Lämmer sie durch einen Fuchs verloren haben. Die Füchse zählen zu den geschützten Tieren und dürfen offiziell nicht getötet werden, aber jetzt frage ich Sie: Wer schützt die Hühner und Lämmer? Eine weitere Auswirkung des Jagdverbots ist natürlich auch, dass die Anzahl Füchse rapide angewachsen ist, genau wie
die Verunsicherung der Griechen hinsichtlich dieser rotbraunen Tiere. Ich finde ja eigentlich, dass Füchse wunderschön anzusehen sind, und mich stört es auch nicht, dass sie mich bei meinen Spaziergängen begleiten, aber wenn ich dann so ein gerissenes Lamm sehe... Ein Grund dafür, dass die Füchse in so großer Zahl unbeirrt durch die Natur spazieren, kann sein, dass auch sie das herrliche Wetter genießen wollen. Auch wir genießen tagtäglich unser Mittagsmahl draußen in der Sonne. Die wenigen Tavernen, die noch
geöffnet haben, übertreffen sich gegenseitig darin, den besten gemischten Salat zu servieren: Feingeschnittener grüner Blattsalat (Marouli), Dill, Weißkraut, dazu die jeweils eigene Variation von Chorta (wildes Blattgemüse) und Kräutern. Im „Panayottis“, am Avlaki-Strand, bekamen wir das Fava (grünes Erbsenpüree) mit großen grünen Blättern serviert. Sie schmeckten sehr würzig und der Geschmack passte hervorragend zum Fava. Ich dachte ja, ich könnte Chorta auf unserem eigenen Feld ernten. Leider! Die Blätter sehen zwar genau so aus, aber sie sind haariger und schmecken nach nichts. Auch das kürzlich
zugelegte Buch „Ta Xopta“ (Chorta) von Mirsini Lambraki war mir keine Hilfe. Ich muss jedoch erwähnen, dass es griechisch geschrieben ist, was für mich nicht so einfach zu lesen ist, aber auch bei den Abbildungen bin ich nicht fündig geworden. Wie auch immer, beim Durchstöbern stieß ich auf viele andere Pflanzen, von denen ich niemals gedacht habe, dass man sie essen könnte: Wilder Lauch (habe ich noch nie gesehen), Blätter und Blüten der Malve, die Knollen der wilden blauen Traube, das Grün einer Asternart (Chrysantheum
Coronarium), die Blätter des Adlerfarns (Pteridium aquilinum), die Blüten des gelben Asphodelus, etc. Ich frage mich, weshalb wir eigentlich noch in den Supermarkt gehen. Außerdem ist das Wetter viel zu gut, um lange Zeit in der Küche zu verbringen und mit Chorta zu experimentieren oder all die vielen Sachen, die die griechische Küche sonst noch zu bieten hat, auszuprobieren. Tja, und dass ich auf unserem Grund kein Chorta finden kann, liegt ja auch vielleicht daran, dass ja eigentlich der Frühling noch gar nicht
da ist und diesem Kraut das bewusst ist. Es ist erst Dezember, und der Weihnachtstrubel hat begonnen. Die Weihnachtsbeleuchtung blinkt in den Straßen, die große Krippe wurde vom Staub befreit und steht wieder an ihrem Platz, und die erste Feierlichkeit hat bereits stattgefunden: Am letzten Samstag versammelten sich alle in Molyvos vorhandenen Nationalitäten bei Sonnenuntergang an der Krippe: Griechen, Deutsche, Belgier, Niederländer, Dänen, Engländer, Franzosen, Bulgaren, Albaner und Russen (Sorry, wenn ich ein
Völkchen versehentlich nicht aufgeführt habe). Schulkinder und Erwachsene sangen aus voller Brust ein Weihnachtslied aus ihrer jeweiligen Heimat, die Deutschen verkauften Rostbratwurst mit Senf im Brötchen, (der Erlös kam dem Kindergarten von Molyvos zugute) und die Mütter und Omis der Schulkinder hat Kuchen und Plätzchen gebacken, die der Menge auf sich biegenden Tischen gratis angeboten wurden. Die süßen Sachen waren in Windeseile verzehrt, so dass man meinen konnte, die Menschen hier hätten sich wochenlang nur von Chorta und Pilzen ernährt. 2 Stunden später war nicht ein Krümel mehr auf der langen
Tafel zu finden, und das vorweihnachtliche Fest vorbei. Also: Die Weihnachtszeit ist eingeläutet, aber mit Schnee zum Heiligen Abend ist hier auf der Insel wohl nicht zu rechnen. Obwohl..., man weiß ja nie, was für Überraschungen das Wetter so in petto hat. Copyright ©Julie Smit 2006
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